Pressestimmen:
Über TIM SUND electrified - The Future on our Doorstep
Eclipsed Magazin
Auf seiner Soloscheibe bezeichnet Green-Desert-Tree-Keyboarder Tim Sund seinen seligen Kollegen Keith Emerson als den größten Rock-Keyboarder aller Zeiten“. Mit „Emersonia“ setzt er diesem gleich mit dem ersten Track ein Denkmal: brachiale Fanfaren, Harmonien wie aus dem ELP-Signature-Buch, eine hochdynamische Emerson-Hommage mit abgefahrenem Fusion-Solo. Auch „Fast Finger Rick“ sagt´s gleich im Titel. Tatsächlich gelingt es Sund, Unterschiede im Spiel und Anschlag dieser beiden Tasten-Großmeister darzustellen. Alex Will´s Bass gibt ebenfalls ein virtuoses Solo. „Lyle Travels“ ist dem früheren, leider wie Emerson bereits verstorbenen Pat-Metheny-Tastenmann Lyle Mays gewidmet. Hier wird jazziger gearbeitet und das Klavier steht mehr im Vordergrund.
Eine schöne musikalische Landschaftsbeschreibung. Die Ballade „With You“, gewidmet der eigenen Frau, gerät ein wenig arg romantisch/schönmalerisch. Das Titelstück ist dagegen eine spannende Prog-/Fusion-Reise über unsere aktuellen stürmischen bedrohten Zeiten, gewidmet den „Fridays for Future“-Aktivisten. „F-Minor Trip“, nah an Pat Metheny, steigert sich in einen echten Rausch. Coole Tasten-Scheibe.
Eclipsed Magazin 2/2023
Betreutes Proggen
„Der Name Tim Sund ist auf diesen Seiten schon gefallen, und zwar bei der Vorstellung eines hoch talentierten deutschen Newcomers mit dem Namen Green Desert Tree. Das Debütalbum des Berliner Quintetts erhielt sehr positives Echo. Absolut berechtigt, wenn man sich das Debütalbum “Progressive Worlds” anhört. Nun also ein Album unter dem Namen des Keyboarders, was ist also zu erwarten?
Nach dem ersten Hördurchgang lässt sich festhalten, dass dieses Album mit der Musik der Stammband nicht allzu viel gemein hat. Was aber durchaus nicht für die Besetzung gilt, denn die ist zu 100% Green Desert Tree DNA, denn Sund wird von der Rhythmustruppe der Berliner Progrocker begleitet, d.h. Alex Will am Bass und Jonathan Gradmann am Schlagzeug. Und das nicht nur auf ausgewählten Songs, sondern auf allen acht Kompositionen, die übrigens komplett ohne Gesang auskommen. Man hätte die Formation also auch Tim Sund Trio nennen können. Doch dieses Trio gab es bereits in der Vergangenheit, allerdings in einer anderen Zusammensetzung, also macht ein neuer Name wohl Sinn.
Das schöne Digipack enthält zu jedem Song einige Zusatzinformationen, und so erfährt man, dass einige Titel Tastenkünstlern gewidmet sind, die Sund maßgeblich beeinflusst haben. Wobei dies nicht vollkommen überraschend kommt, wenn man sich die Songtitel anschaut. So startet das Album mit dem Track ‚Emersonia‘, das er dem seiner Meinung nach größten Rock-Keyboarder Keith Emerson gewidmet hat. Wie so viele, hatte er „Pictures at an Exhibition“ in jungen Jahren in der Schule gehört und war hin und weg. Und diese Inspirationsquelle ist natürlich gerade auf diesem recht flotten Song unüberhörbar. Und es zeigt sich auch gleich, dass er von einer starken Rhythmusfraktion begleitet wird. Es folgt ‚Fast Finger Rick‘, wo er ein paar typische Wakeman Läufe folgen lässt. Doch auch der Bass darf auf dieser Nummer mal kurz in den Vordergrund treten.
Es folgt ‘Lyle Travels’, das Sund kurz nach dem Tod des langjährigen musikalischen Begleiters von Pat Metheny, Lyle Mas, schrieb. Hier weiß vor allem das wunderschöne Klavierspiel zu Beginn zu gefallen. Und so geht es auf hohem Level weiter auf den abwechslungsreich gestalteten folgenden fünf Titeln. In der Mischung aus Symphonic Prog und Jazz stehen logischerweise die Tasteninstrumente im Vordergrund, die aber tatkräftige Unterstützung durch die Rhythmusfraktion erhalten. Insgesamt überwiegt der Jazz Anteil, den Sund in dieser Formation auch besser ausleben kann als bei Green Desert Tree. Alle Titel enthalten Soloparts, deren zugrunde liegendes Equipment pro Song genannt sind, als da wären Moog One, Moog Sub37, Nonlinear Labs C15, Korg Kronos Piano, Korg Kronos Mark V.
Als Anspieltipp eignet sich auch der Titelsong sehr gut, denn diese Zehn-Minuten Nummer erweist sich als ausgesprochen abwechslungsreich und zeigt sehr gut, was den Hörer hier erwartet. Gewidmet ist dieser Titel übrigens den jungen Aktivisten der “Fridays for Future”-Bewegung – passend zum Songtitel. Nicht unbedingt das, was man zunächst von einem Soloalbum des Green Desert Tree Keyboarders erwartet hätte – stattdessen mit dem starken Jazz-Einschlag eine weitere Facette und Beleg für die Kompetenz der Musiker. Wer aber, wie der Schreiberling, nicht über die Schiene Green Desert Tree auf dieses Album gekommen ist, sondern die früheren Werke bereits kannte, ist natürlich über die starke Jazz Komponente kaum überrascht, denn dies pflegte der Protagonist schon in der Vergangenheit.“
www.betreutesproggen.de
hr2 Jazzfacts, 01.04.2023 mit Wolf Kampmann
Elektronische Keyboards haben im Jazz ja erst relativ spät Einzug gehalten und ihren Höhepunkt in den 70er Jahren mit Chick Corea, Herbie Hancock, George Duke und Joe Zawinul gefeiert.
Der Berliner Keyboarder Tim Sund zollt nun genau dieser Epoche mit seinem brandneuen Album „The Future on our Doorstep“ seinen Tribut. Zu einer halben Stunde farbenfrohen Tastenzauber begrüßt sie Wolf Kampmann.
(Musik: Emersonia)
Tim Sund an verschiedenen Keyboards mit Alex Will am Bass und Jonathan Gradmann am Schlagzeug und Emersonia, einer Verneigung vor Keith Emerson, dem Tastenmann von Emerson, Lake and Palmer. Das ganze Album „The Future on our Doorstep“ ist ein wollüstiges Fest elektronischer Keyboards, und dem pflichtet auch Klangforscher Tim Sund selbst bei…
Tim Sund (TS): Ja, stimmt. Darum geht´s eigentlich: das Synthesizer-Spielen und mit Synthesizer-Sounds-Umgehen wiederzubeleben, also in so einer etwas ursprünglicheren Form. Nicht elektronische Musik am Rechner produzieren, sondern live auf der Bühne mit echten Instrumenten zu spielen und das zu zelebrieren.
(Musik: Fast Finger Rick)
Das klingt nach vollem Einsatz. Eine weitere Hommage von Tim Sunds Album „The Future on our Doorstep“, diesmal an Yes-Keyboarder Rick Wakeman, den er Fast Finger Rick nennt. Wenn man diese Platte, die auch auf Vinyl erschienen ist, hört, kommt es einem vor, als wäre das eins der schönsten Alben der 70er Jahre, nur eben aus dem Jahr 2023. …
TS: Ja, das gefällt mir (lacht). Ich nehme das als Kompliment entgegen. Ich glaube mein Vorteil gegenüber denen ist, dass ich die Inspirationen schon aus den 70ern natürlich habe und das alles miteinander verbinden kann. Kann ein Nachteil sein, kann aber auch ein Vorteil sein. Tony Banks war immer ein Tony Banks, aber da fehlten viele Sachen, die zum Beispiel Keith Emerson hatte. Bei mir ist es jetzt wie so eine Vermischung durch meinen eigenen Geschmack.
Was Tim Sund von den Keyboard Giganten der 70er Jahre unterscheidet, ist sein Dienst an der Musik. Er prahlt nicht mit seinen Gerätetürmen, wie man das teilweise bei Chick Corea, Herbie Hancock oder auch Rick Wakeman erlebte, sondern bringt genau das zu Gehör, wonach das jeweilige Stück verlangt. Das allerdings mit Inbrunst und Leidenschaft. …
TS: Ich habe ja auch schon verhältnismäßig viel Equipment, aber wenn Du das jetzt tatsächlich vergleichst mit Herbie Hancock und Chick Corea, dann ist natürlich doch noch ein großer Unterschied. Die haben ja praktisch fast für jeden Sound ein neues Instrument, und das ist natürlich dann wirklich eine Materialschlacht. Und bei mir ist es so, dass ich mir halt sage: okay, ich leiste es mir jetzt vier Instrumente mit auf die Bühne zu nehmen. Das ist schon relativ viel, auch weil es jetzt recht große Instrumente sind. Aber ich versuche alles über einen längeren Zeitraum damit zu machen und da in die Tiefe zu gehen und so viel Qualität rauszuholen wie möglich. Ich habe den Eindruck, dass diese Jungs damals ständig so viele neue Instrumente bekommen haben - vielleicht auch weil sie dann Werbung dafür gemacht haben, dass sie gar nicht tief eingedrungen sind. Ich finde die beiden Keyboarder, die rausstechen damit, dass sie wirklich eigene Sounds gemacht haben, die über lange Zeit Wiedererkennungswert hatten, waren Joe Zawinul und Lyle Mays. Das sind die einzigen. Chick Corea und Herbie Hancock haben eigentlich immer irgend. Das ist erstaunlich.
(Musik: Lyle Travels)
Jetzt haben wir drei Hommagen gehört, an Keith Emerson, Rick Wakeman und zuletzt Lyle Mays, der sich ja mit der Pat Metheny Group unsterblich gemacht hat. Diese drei persönlichen Verneigungen stehen am Anfang des Albums. Warum gerade diese drei?
TS: Ich glaube Keith Emerson und Lyle Mays, weil sie relativ kurze Zeit zuvor gestorben waren, also es war wirklich so eine Hommage an meine Heros. Und bei Lyle Mays war es auch wirklich eine direkte Reaktion. Als ich erfahren habe, dass er gestorben ist, gab es ein paar Tage später dieses Stück. Es war also eine von Herzen kommende Reaktion. Bei Fast Finger Rick ist es eher so, dass ich gerade in den letzten Jahren wieder sehr viel diese Art von Musik höre, die ich früher in meiner Teenagerzeit gehört habe. Rick wurde irgendwie wieder wichtig: Und dann hatte ich irgendwann mal einen Livemitschnitt gesehen, wo er bei einem Yes-Konzert so ein krasses Solo-Ding gemacht hat. Alle gehen von der Bühne und Rick feiert sich selbst. Und da war so eine Stelle, wo er auch mit so komischen Fingerrepetitionen rumgespielt hat. Das sah aus wie so ein kleiner Zirkus mit den Fingern. Und das hat mich tierisch inspiriert. Das fand ich so cool. Dass ich mir gedacht habe: ich mach so ein Stück mit so einer Art von Technik. So ist diese fast Finger Rick entstanden.
Wer jemals Tim Sund gehört hat, weiß aber auch, dass er ein großer Verehrer von Chick Corea und Herbie Hancock ist, die irgendwie immer in seiner Musik drinstecken. Ist das Album nicht auch irgendwie eine Hommage an diese beiden?
TS: Es ist immer eine Hommage an Herbie Hancock und Chick Corea, weil das meine größten Helden sind. Aber in diesem Fall gibt es kein spezielles Stück, das den beiden gewidmet ist. Wobei ich darauf hinweisen muss: zwei Platten vor dieser Platte habe ich ja diese Mwandishi-Platte rausgebracht – da ist ja ein ganzes Album Herbie Hancock gewidmet. Und tatsächlich ist mein nächstes Album ein Chick Corea Tribute Album, das gerade aufgenommen wurde. Das heißt dann „The Boy from Chelsea“.
Natürlich sind nicht alle Songs auf „The Future on our Doorstep“ Hommagen. Hören wir deshalb einfach mal in den Titelsong rein.
(Musik: The Future on our Doorstep)
The Future on our Doorstep“, ein Song, der zwar wie gesagt keine Hommage an einen Musiker ist, aber der Bewegung Fridays for Future gewidmet ist. Die bisherigen Songbeispiele zeigen uns ja, dass es Tim Sund relativ Schnuppe ist, ob man seine Musik nun ProgRock, Electric Jazz oder wie auch immer nennt. Das ist wirklich eine genretechnisch absolut barrierefreie Musik, in der die genannten Kategorien unprätentiös ineinander aufgehen.
TS: Ja, ich denk auch so. Man muss wahrscheinlich erst ein bestimmtes Alter erreicht haben – ich bin Anfang 50, wo da s auch bei mir überhaupt ging. Man geht ja durch Phasen in seinem Leben. Man denkt dann erstmal: man muss jetzt das lernen, das ist jetzt wichtig, man muss sich beweisen, man muss sich seine Hörner abspielen, usw… Und jetzt ist es halt so, dass ich denke: ich bin einfach der, der ich bin und ich mach das, was mir gefällt und ich folge einfach nur noch meiner Nase. Und die Nase führt mich halt dahin, das einfach alles zu verbinden. Insofern kann man auch sagen zum Beispiel beim Titelstück „The Future on our Doorstep“: da ist ja ganz viel Prog drin, aber eigentlich ist im Solo Teil Herbie ganz stark vertreten.
Nun hat Tim Sund das Album ja nicht alleine aufgenommen, sondern mit zwei deutlich jüngeren Musikern, Bassist Alex Will und Drummer Jonathan Gradmann, die natürlich musikalisch ganz anders sozialisiert sind als er selbst. Trotzdem geben sie im richtigen Zunder und treiben ihn pausenlos an. Wie kam der Keyboarder zu dieser Rhythmusgruppe?
TS: Ja, das ist sehr witzig, weil eigentlich beide aus einer Art Schülersituation mit mir zusammengekommen sind. Alex Will war vor seinem Musikstudium am JIB (Jazz Institut Berlin) in der Studienvorbereitung bei mir und war lange Zeit mein Schüler, war in meinem Geschichtskurs, war in meiner Band. Und da habe ich gleich gemerkt, auf den Typen kann man sich verlassen, spielt cool, ist am Start, ist einfach ein super Typ. Und da habe ich gleich als er fertig war bei uns, und er im Begriff war am JIB anzufangen zu ihm gesagt: Alex, lass uns mal im Kontakt bleiben. Ich würde gerne mit Dir eine Rockband gründen. Und er so: „Ich bin dabei.“ Und Joni, der Schlagzeuger, kommt ja aus einer Musikerfamilie. Sein Vater, Carsten Gradmann, ist auch schon Jazzmusiker aus Berlin, hat auch schon an der Hanns Eisler studiert. Und sein Sohn Joni, der ist dann nach Weimar gegangen. Und als er wieder in Berlin war, hat er mitbekommen, dass ich einen Synthesizer Workshop gegeben habe.
Und bei meinem ersten Synthesizer Workshop tauchte Joni auf. Und ich wusste gar nicht, dass der eine Schlagzeuger ist. Er war ein super engagierter Teilnehmer, total clever, smart mit Synthesizern. Und irgendwann kam er an und meinte: „Guck mal, Tim. Ich habe hier so ein Trio, mit dem ich gerne ins Studio gehen würde. Welches Studio würdest Du empfehlen?“ Und dann hat er mir Musik vorgespielt. Und ich habe so gedacht: Ähm, ich will mit dem spielen. Das ist ja ein super Schlagzeuger. Ich finde Joni absolut genial. Für jede Art von Akzenten, die ich in einer Komposition habe, entwickelt er einen neuen Groove.
Viele Namen sind hier gefallen, dabei sollte man aber nicht vergessen, das Tim Sund vor allem immer nach einem Musiker klingt: nach Tim Sund. Und genau das macht seine Musik besonders.
Bevor wie zum Abschluss seiner neuen Platte “The Future on our Doorstep“ noch den Song „Walking in the Sonic Field“ hören, verabschiedet sich am Mikrofon Wolf Kampmann.
hr2 Jazzfacts, Wolf Kampmann
Jazzpodium, Juli/August 2006
Der deutsche Pianist Tim Sund wurde Anfang der 1990er Jahre von Richie Beirach entdeckt. Von diesem hat Sund auf seinem Solodebüt "As Dark As The Sun" zwei Stücke (eines davon als hidden track) aufgenommen, ein weiters stammt von John Abercrombie, die restlichen neun Stücke sind eigene Tonschöpfungen. Er bemüht gerne flächige Soundcluster, mit denen er sich improvisierend wie ein Klangforscher vorarbeitet. Dabei klingen zweifelsfrei Einflüsse wie Art Tatum, Chick Corea und Keith Jarrett aus dem Jazz oder Bartók und Strawinsky aus der Klassik an - aber stets im Rahmen organisch entwickelter Improvisationen und keineswegs plakativ. Was Sund an Material zusammenträgt, spricht für schöpferische Größe. Seine Gestaltungskraft zeigt künstlerische Reife. Er lässt den Improvisationen Raum, verdichtet sein Spiel, wenn es die Dramaturgie erfordert. Sein Spiel kann mit repetitiven Mustern dahinwandern, kann impulsiv ausbrechen, frei gleiten, wird wieder eingefangen, kann lyrisch verzaubern, bleibt immer spannend, kann erregen und ist spürbare Emotion aus des Künstlers Seele.
Matthias Weiller
Jazzflits, Mai 06, NL
"As Dark As The Sun" ist das achte und erste Soloalbum von Tim Sund (1971); Dieser junge Deutsche Pianist ist seit Beginn der neunziger Jahre wohnhaft in New York. Jazz mit klassischen, minimalistischen Zügen, balancierend zwischen Komposition und Improvisation. Ihm zufolge inspiriert durch unter anderem Herbie Hancock, Bill Evans, Chick Corea, Paul Bley, McCoy Tyner, Keith Jarret, Richie Beirach und Lyle Mays (Ähnlichkeiten mit der Solo CD von Mays "Solo-Improvisations For Expanded Piano" 2000, fallen auf). Die Musik von Sund ist Weltmusik ohne weitschweifig zu werden. Die Ausarbeitung der Themen sind überraschend und halten den Zuhörer gefesselt. Hier fällt auch eine Ähnlichkeit mit Bill Evans auf, der in minimal bemessenem Raum das Maximale zu erreichen wusste, mit einer begrenzten Menge Noten eine Geschichte erzählen zu können. In diesem Sinne hat seine Musik auch etwas von dem, was Misha Mengelberg tut. Die Verspieltheit und der Humor, die kleinen versteckten Scherze in den Akkorden. Sund ist in diesem Sinne auch ein begabter lyrischer Pianist, der einen mitnimmt, in seine Erzählung. "As Dark As The Sun" ist eine Platte, die sich traut die traditionellen Wege zu verlassen. Das ist Jazz wie Jazz sein kann, starke Schemen, aber gleichzeitig unbegrenzte Freiheit.
(Übersetzung: Mareike Voss)
Kultruradio am Mittag, 10.05.2006
Für jeden Pianisten ist das Solospiel eine ganz besondere Herausforderung - physisch, vor allem aber künstlerisch. Vor allem Jazz-Pianisten, deren Spiel durch die Spannung zwischen Komposition und Improvisation geprägt ist, sehen im Solo-Spiel quasi eine Art Ritterschlag. Diesen erhält der Pianist Tim Sund nun mit seinem inzwischen 8. Album, As Dark As The Sun.
Der Komponist und der improvisierende Pianist finden kongenial zusammen. Das klassisch geprägte Formbewusstsein und die Freiheit der Spontaneität gehen eine Symbiose ein. Sund leugnet nicht seine Vorbilder Herbie Hancock, Chick Corea (dem er ein Stück widmet), Keith Jarrett, Paul Bley oder seinen früheren Lehrer Richie Beirach (von dem er zwei Kompositionen spielt). Dabei hat er aber einen eigenen Stil entwickelt, der wie bereits auf einigen früheren Produktionen auf immer wieder überraschende Weise Klassik und Jazz, Komposition und Improvisation, eingängige Melodien mit freiem Spiel vereint. Der Klang der Aufnahme ist sehr direkt und warm.
Parallel zur CD erscheint ein 72-seitiges Buch mit allen Kompositionen bzw. Transkriptionen der CD und einem Interview, das der Produzent Robert Seidel mit Tim Sund führte.
Bewertung: ***** (=großartig)
Ulf Drechsel
Cadence Magazine, USA, January 2006
"Trialogue" presents Sund in a trio setting with bassist Martin Lillich and drummer Michael Kersting. Sund proves to be an expressive pianist, gleaning the usual sources for inspiration, but displaying a broad range of capabilities, no doubt one of the mamy lessons learned from Richie Beirach. As for the program, the trio tackles five standards, a few Sund pieces, and four improvised pieces. Regarding the standard portion of the program, Sund and Co. Attempt to make these familiar melodies sound new again, certainly not a new vocation, but one that has fruitful results here. The opening cut, "Nardis," demonstrates that this trio seeks to chart its own course, spreading the familiar melodiy amongst the trio's low ended vamp, with bridges that intesect the rhythmic flow, as Sund's shimmering notes twirl. Similarly, the trio jumps into "When Will The Blues Leave" with a giddy joy and breaks apart the familiar "I Hear A Rhapsody" into a new tune altogether, "Hidden Rhapsody". For the trio's romantic look at the standards, "Blue In Green" is glorious, while the trio again deconstructs "The Peacocks" as haunting ballad coaxed by Martin Lillich's lithe arco expressions.
As for the Sund originals, the trio glides along on the buoyant waltz of "Puzzle 1499," with Lillich's punchy pizzicato thoughts amidst Kersting's shuffling brushwork, while both "El Rojo" and "Ravi" present the most romantic side of the trio. Finally, the four improvised "Trialogue" pieces demonstrate another side of the trio's art, moving from more abstract tones ("#1: The Cage Map") to heavy swing ("#2: Lets Open The Year") to fragile icicles ("#3: A Deeper Season") to a cool breeze on a winter eveing ("#4: The Evergreen Terrace"). A solid piano trio date from start to finish that while perhaps not as incredible as beirach's liners might suggest, is noteworthy for its staying power. While "Trialogue" presents Sund leading his trio, "Americana" springs from an invitation from American reedist (and previous collaborator) Tom Christensen to perfrorm in a series of New York concerts, with each player utilizing a favorite sideman for a one-off quartet. Christensen brought bassist Ben Allison and Sund brought over Kersting. The most interesting aspect of this recording is that although it is entitled Americana, the overall results place this record easily within the ECM realm, with its breezes of melancholic aloofness and introspective poles that rarely thaw. That's not necessarily a bad thing, of course, depending upon your inclinations. This sonic wallpapering gets under way immediately with the forlorn first cut, "Americana," coming straight out of the Lyle Mays/Pat Metheny school, with its airy keyboards and Christensen's soaring Engish horn amidst buoyant basslines and floating cymbal work. Along similar horizons is the icy beauty of "Akire" with its lucious piano, Christensen's fluid flute work and Allison's riveting pizzicato solo, as well as the contemplative "Nozomi," a fine feature for Christensen's English horn. The group also ventures into the straight-ahead territory on the solemn, minor blues waltz, "New Chances" and the eminently swinging "Pit Jazz," both of which allow the musicians to spotlight the basics. Surprisingly, the quartet also walks close to the edge on numbers like "The Watcher and The Moon," with Sund's plucked strings and Christensen's fluttering alto flute, Carla Bleys "Vashkar" with its tension-filled suspensions and "The Cosmic Lawn," a dramatic, mostly freely improvised piece that features Kersting's shuffling hi-hat rhythms, Christensen's bass clarinet, Sund's chord washes, and the piece's motivator, Allison's sitar-like bass tones. An intriguing set once again demonstrating the global stretch of this music.
Jay Collins
Jazz Podium Mai 04
Ersatzlösungen müssen nicht immer die schlechtesten sein. Das Ergebnis von Tim Sunds und Tom Christensens "Americana" jedenfalls ist das bemerkenswerte Resultat eines solchen Vorfalls. Im Herbst 2000 hätte eigentlich Saxophonist Joel Frahm mit dem deutschen Pianisten Tim Sund auf Tour gehen sollen, der aber schickte seinen ehemaligen Lehrer Christensen. Weil der vielseitige Holzbläser (Saxophone, English Horn, Bassklarinette, Altflöte) und der für seine orchestralen Kompositionen bekannte Tastenmann sich musikalisch gut verstanden, holten sich beide mit Bassist Ben Allison und Schlagzeuger Michael Kersting noch weitere gute Bekannte ins Boot - und ab ging die Reise. "Americana" ist geprägt von einem sehr warmen und weichen Sound. Eberhard Weber, Charlie Mariano und Rainer Brüninghaus oder auch Lyle Mays fallen einem nach den ersten Tönen des Titelstücks sofort ein, und im entsprechend sich an moderner Jazzharmonik und klassischen Spielfiguren orientierenden Stil geht es in der Folge auch weiter. Gekonnt wird dabei musikalischen Einflüssen und Eindrücken aus dem Ursprungsland des Jazz nachgespürt, klassische Komponisten wie Copland, Berg, Messiaen oder Strawinsky dabei nicht verkannt. Schwer zu sagen, welches nun das schönste Stück dieser Einspielung ist. "Nozomi", in dem Tim Sund sich mit dem Werk des Japaners Toru Takemitsu beschäftigt, birgt, wie der Untertitel "Secret garden" andeutet, allerlei geheimnisvolle Entdeckungen. Satt hören kann man sich nicht genug daran.
Thomas Volkmann
Jazzthing April/Mai 04
Der Amerikaner Tom Christensen prägt ganz entscheidend das Klangbild des neuen Quartetts des Pianisten Tim Sund. Man muss Christensen einen Multi-Instrumentalisten nennen, denn neben Tenor- und Sopransaxofon spielt er auf diesem Album noch Englischhorn, Flöte und Bassklarinette. Für Vielfalt ist also gesorgt und die Stücke, die meist von Sund stammen, machen sich diese Vielfalt zunutze. Seine Themen atmen eine großzügige Weite und sind von folkloristischen Einsprengseln durchsetzt, so dass der Titel "Americana" nicht schlecht passt. Man kann förmlich baden in diesem für ein Jazzquartett großorchestralen Klang, und die zwischendurch stattfindenden freien Klangexperimente, in denen Sund beispielsweise die Saiten seines Flügels mit einem Glas bearbeitet, fügen sich wie eine selbstverständliche Facette dieses Klangs ins Gesamtbild des Albums.
Rolf Thomas
Stereoplay 04/04
Auch der junge Pianist Tim Sund setzt für sein Album "Americana" auf die deutsch-amerikanische Freundschaft und liefert sich mit dem vielseitigen New Yorker Bläser Tom Christensen melodisch anspruchsvolle Zwiegespräche voller Poesie, die US-Bassist Ben Allison mit dem Drummer Michael Kersting reizvoll unterfüttert. Glänzend aufgenommen, braucht dieses Quartett den Vergleich mit bekannteren Kollegen nicht zu scheuen. Musik: 8-9, Klang: 9, Repertoire: 8
Sven Thielmann
Amazon.de, September 2003
"Kreative Trio-Scheibe"
Ein federleichtes Schlagzeug, ein dezenter Kontrabass und die lyrischen Klavier-Improvisationen eines Bill Evans - es gab eine Zeit, da galt das Klavier-Trio unter Jazzern als Königsdisziplin. Ganz so ist es heute leider nicht mehr: Zwar herrscht kein Mangel an talentierten Nachwuchspianisten, viele von ihnen scheinen sich jedoch nicht so recht für eine Fortsetzung der Tradition begeistern zu lassen, schließlich muss Jazz "innovativ" sein - und das fast um jeden Preis. Der junge Berliner Pianist Tim Sund sieht das völlig anders und zeigt mit seinem Album "Trialogue", dass das klassische Klavier-Trio auch noch im 21. Jahrhundert mit zum Schönsten gehört, was der Jazz je hervorgebracht hat. Sunds melodisches Spiel erinnert an das Michel Petruccianis, seine Stückeauswahl reicht von Standards bis Eigenkompositionen. Respektvoll, aber nicht übertrieben ehrfürchtig interpretiert er die Miles Davis-Klassiker "Blue in Green" und "Nardis" und sucht in seiner Tetralogie "Trialogue #1 - #4" immer wieder die musikalische Konversation mit den Bandmitgliedern Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums). Ein kreatives und ideenreiches Album von Musikern, die nicht den Anspruch erheben, den Jazz neu erfunden zu haben, sondern versuchen, ihn im traditionellen Sinne weiterzuentwickeln.
3. Deutsche Jazzwoche im WDR, 05.11.2002 Young German Piano Masters
Wolfgang Dauner, Alexander von Schlippenbach, Georg Gräwe: die deutsche Jazzszene ist reich an international renommierten Pianisten. Weniger bekannt hingegen ist die jüngere Pianisten-Generation, die in ihrem originellen Spiel nach den Improvisations-Sternen greift. Aber auch Tim Sund, Bernhard Pichl und Hubert Nuss werden bald, meinen Jazz-Experten, in aller Jazz-Munde sein. Günther Huesmann
Jazzthetik, November 2002
**** Wer Klaviertrios mit unverbrauchtem frischen Approach mag, der sollte sich den Namen Tim Sund merken. Der in Berlin ansässige Pianist legt mit Trialogue seine nunmehr sechste CD-Produktion vor. Der 30-jährige Sund hat mit seinen Begleitern Martin Lillich (Kontrabass) und Michael Kersting (Schlagzeug) einen wunderbaren Gruppensound gefunden, wobei der Begriff Begleiter definitiv die falsche Bezeichnung ist, da Kersting und Lillich als gleichberechtigte Partner agieren, die dem Klavier aber auch einen Teppich zum Losfliegen weben. Das Trio mischt Eigenkompositionen von Sund mit Standards und Gruppenimprovisationen, die die Stärke des Trios zur Geltung bringen. Sund ist ein geschmackvoller Arrangeur von Standardmaterial. Stücke wie "Nardis" oder "Blue in Green" erscheinen in neuem Licht. Richie Beirach, ehemaliger Lehrer von Tim Sund, zeigt sich in seinen Liner Notes absolut begeistert über die neue CD seines Schülers. Mit Trialogue habe Tim Sund seine eigene Stimme gefunden, und das könne der Zuhörer am besten an Standards messen, da er da die Referenz hat. In dem Falle hat es sich Sund nicht einfach gemacht, denn Kompositionen wie "Blue in Green" oder "Nardis" lassen immer sofort an Bill Evans denken. Doch die neue Triobesetzung (die übrigens mittlerweile eine neue Produktion in New York eingespielt hat) braucht sich keineswegs hinter den Vorbildern verstecken. Hoffentlich bleibt die Besetzung Sund-Lillich-Kersting längerfristig zusammen - diese Besetzung ist mehr als vielversprechend. Angela Ballhorn
Jazzthing, November 2002 Focus
"Dies ist eine echte Trio-Aufnahme", schreibt Richie Beirach, Pianist, Komponist und Tim Sunds Lehrer, in den Liner Notes zur neuen CD seines 30-jährigen Piano- und Kompositionsschülers, "Trialogue". Aber "der Anteil von Michael und Martin", so Beirach weiter, "ist nicht zu unterschätzen. Tim ist sicherlich der Leader, aber gleichzeitig ist er auch ein exzellenter Zuhörer, der dem Drummer und dem Bassisten Freiheit und Raum zur Entfaltung lässt." Auch wenn man vergleichbare Liner-Notes schon oft gelesen hat, so treffen Beirachs Bemerkungen dennoch den Kern: Sund ist mit seinem sechsten Album unter eigenem Namenein "echter" Bandleader geworden, der es eben nicht mehr nötig hat, seine Virtuosität und Musikalität dem Publikum unter Beweis stellen zu müssen. "Trialogue" offenbart einen spannenden Mix aus bekannten Jazz-Standards (unter anderem "Nardis" und "Blue in Green") und Originalkompositionen, die Sund gleichsam als überraschende Interludes in das Repertoire der CD einbettet. Aber wodurch sich die Musik von Sunds Trio vom Gros vieler Jazz-Piano-Trios unterscheidet, ist das engmaschige Netz, das der Pianist mit dem Bassisten Martin Lillich und Drummer Michael Kersting knüpft. Hier ziehen drei gleichberechtigt agierende Musiker gemeinsam an einem Strang und legen mit ihrem sensibel improvisierenden Zusammenspiel die Grundlagen ihrer oft auch humorvoll klingenden Musik offen: Die drei haben zwar Respekt vor den großen Meistern der Jazz-Geschichte, verleugnen aber nicht ihre Wurzeln in einer zeitgenössischen, europäisch geprägten Improvisationsmusik.
Und nach dem Hören der CD muss man sich fragen, warum Sund noch immer nicht in die erste Liga der deutschen Jazzpianisten aufgestiegen ist - das musikalische Talent und die instrumentale Meisterschaft besitzt er auf jeden Fall! Martin Laurentius
Stereo/FonoForum, Oktober 2002
Dreiergespräch
Dass der 31-jährige Pianist Tim Sund bereits sein sechstes Album vorlegt, ist bemerkenswert genug. Sund stammt aus Hagen, sein Weg führte über Köln und New York nach Berlin. Richie Beirach war es, der ihn in den "Big Apple" holte und sein Mentor wurde. Er produzierte ihm ein Duoalbum; für das vorliegende verfasste er die Liner-Notes. Entscheidend geprägt wurde Sund auch durch ein klassisches Kompositionsstudium an der Manhattan School of Music. Die beiden Alben seines Quintetts, das statt mit einem zweitem Bläser mit einem Violinisten besetzt ist, stellten den Komponisten Sund in den Vordergrund; eines mit der Sängerin Erika Rojo war Jazzinterpretationen klassisch-romantischer lieder gewidmet.
Jetz zeigt Sund sich von einer anderen Seite. Zum ersten Mal kommt er indem Format, das die Dreifaltigkeit des Modern Jazz verkörpert, im klassischen Pianotrio, und legt den Akzent auf die persönliche Interpretation von Standards, ergänzt um eigene Stücke und ein paar Kollektivimprovisationen.
Mit "Nardis" und "Blue in Green" nimmt er sich jene beiden Nummern vor, die mit den Namen Miles Davis und Bill Evans verbunden sind, ohne dass deren Autorenschaft bis heute geklärt wäre.
Ornette Colemans "When Will The Blues Leave" und Jimmy Rowles´ "The Peacocks" sind Schlüsselnummern aus der jüngeren Geschichte des Klaviertrios.
Mit farbigem Spiel voller lyrischer Moment und zupackendem Groove positioniert Sund sich als aufregende neue stimme in der Traditionslinie Bill Evans-Paul Bley-Chick Corea-Keith Jarrett, in der es nicht zuletzt um das geht, was der Titel "Trialogue" verspricht: ein Gespräch zu dritt. Die eloquenten Partner heißen Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums). Berthold Klostermann
Musik-Check/Interpretation *****
Hifi-Check/Klang *****
Berliner Morgenpost, 30. Juni 2002
Tim Sund Trio
Die Quadratur des Jazz-Kreises
Das Eckige muss ins Runde. In der Umkehrung der alten Fußballweisheit liegt das Geheimnis des Piano-Trios im Jazz. Da haben wir es zuerst mit einem Dreieck zu tun, das aus Klavier, Bass und Schlagzeug besteht. Gleichschenklig sollte es sein, damit jedem Instrumentalisten ein genügender Aktionsradius zur Verfügung steht. Und eine Gesprächsrunde sollte es ein.
Eckig und rund: geht das zusammen? Es geht: Man muss nur dem 30jährigen Berliner Pianisten Tim Sund und seinen Mitstreitern Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums) zuhören.
Nicht ohne Grund haben sie ihre Aufnahme die sie heute im ATrane vorstellen, mit dem Namen "Trialogue" versehen. Im Zentrum der CD stehen fünf bekannte Standards aus dem Bereich des modernen Jazz. Vier freie KollektivImprovisationen ranken sich um die Interpretationen mehr oder minder bekannter Stücke aus der Feder von Miles Davis, Bill Evans und Ornette Coleman; hier zeigt das Trio ein Höchstmaß an Kommunikationsfreude und Formwillen im luftleeren Raum.
Josef Engels
Cadence Magazine, August 2001
Tim Sund fancies an unusual front pairing. On his album "The Rains from a Cloud Do not Wet the Sky" it's saxophone (Joel Frahm) and violin (Gregor Huebner). Recorded live at Berlin& acute;s ATrane, this is the quintet's second Nabel session, and it is certainly developing an original, smart sound.
Sund's writing is clearly designed for these men: Huebner and Frahm sit in his mind's eye, the pair's range must be a real inspiration. Listen to "Drifting", with it's open spaces and hints of tango, the melody is intimately linked to a horn and violin combination. Or "Hunting Shadows" (which according to Sund, reflects the atmosphere towards the end of Stravinsky's opera, The Rake's Progress), with a floating, nearly diaphanous line.
Modern Jazz violin, from JeanLuc Ponty to Leroy Jenkins, is often considered an aquired taste but Huebner's approach is immediate and rich: he's at ease with himself, his sound never grates. Indeed, his sense of proportion is just right a point on which many of his peers falter. More than anything else, the violin brings beauty to this ensemble, rather than any harmonic or melodic challenges. Huebner is in league with Frahm and Sund he's never a polarizing force.
Joel Frahm, a leader in his own right, may be a saxophonist in the straightforward postColtrane mode, but he's his own man and there's a distinct charm and neighborliness to his lines. Even on a swinger like "Dr. DeeDee" he's tuned to his mates; he doesn't isolate himself, wrapped up in pyrotechnics or bogged down in arcana.
The rhythm team is flexible and fluid. Drummer Andreas Griefinghold, in particular, has a loose and bombastic approach that´s filled with vigor and snap.
Carlos Bica's solo feature, the bowed statement, "Uma nuvem no céu," reminded me of Miroslav Vitous with its push and pull and internal dialogue little repetetive phrases, reworked and bounced back and forth.
Tim Sund gets much of his power and his understanding of harmony and time from his former teacher, Richie Beirach. Like his mentor, Sund likes the knotted and the difficult. "Stretch the Match", for instance, plays with time a 17/8 ostinato in the piano's righthand against a _ feel.
Sund, however, has many faces the earnest romantic ("The Hill of Love") or the open improviser ("Jumping Jack"), but he ultimately favors the direct and the accessible: Sund's default switch is the lovely cadence, the workable phrase. The title piece serves as an exellent example. Played with wit and expertly executed, "The Rains from a Cloud Do not Wet the Sky" is altogether compelling.
Jazzpodium, März 01
Es ist einfach ein unglaublich ausgewogenes zweites Album, das Tim Sund mit seiner amerikanischdeutschen Band aufgenommen hat. Bis auf ein Stück von dem Bassisten Carlos Bica geschrieben stammen auch alle Kompositionen von Sund selbst. Und: es ist ein LiveAlbum, das im Berliner ATrane aufgenommen wurde die enorme Intensität des Abends widerspiegelnd, die direkte Kommunikation zwischen Musikern und Zuhörern ebenso wie die zwischen den Bandmitgliedern. Die Musik dieses Abends ist ebenso rund wie die Kompositionsarbeit, die dahintersteht: sie firmiert als Modern Jazz das ist ja heute fast alles aber in erster Linie nimmt man sie vor allem als fast meditative oder aber springlebendige Stücke wahr, deren Eindruck durch das Zusammenspiel von Geige und Jazzquartett eine Weichheit und harmonische Ausgeglichenheit erlangt, die selten vorkommt. Die Tracks stets mit einem interessanten thematischen Bezug, so wie das Titelstück, das die Message des Yogameisters Swami Sivananda verdeutlichen soll sind mit guten Soli und ungewöhnlichen Metren nur so gespickt oder aber fließen langsam und gleichmäßig wie ein Strom. Tim Sund, p, Joel Frahm, sax, Carlos Bica, b, Andreas Griefingholt, dr, und Gregor Huebner, vln, bilden eine wirkliche Einheit, sobald sie zu spielen beginnen. Im Geschäftsleben würde man diesen Sound als ihre "Corporate Identity" bezeichnen.
Jazzthing, Februar/März 01
… Sunds Kompositionen orientieren sich an einem expressiven und frischen Modern Jazz.
Mit aufstrebenden Nachwuchskräften wie dem Saxofonisten Joel Frahm oder dem Bassisten Carlos Bica hat Sund ein tatkräftiges, nach vorne schreitendes Quintett um sich geschart.
WZ, 23.10.2000
Schwebende Leichtigkeit
Das ist natürlich eine Auszeichnung. Der große Jazzpianist Richie Beirach, hierzulande bekannt durch seine Zusammenarbeit etwa mit John Abercrombie oder David Liebman, holte ihn als Schüler zu sich nach New York. Dass er diesen Unterricht weidlich genutzt hat, konnte man jetzt in der Volkshochschule hören. Der inzwischen in Berlin lebende Pianist Tim Sund präsentierte dort auf Einladung des Jazzklubs Krefeld sein Quintett, eine exzellent aufeinander eigespielte Formation.
Beirachs Jazzpiano ist immer die klassische Ausbildung anzuhören, das kann man auch vom Spiel Tim Sunds sagen. Die technischen Möglichkeiten beider liegen weit über dem Durchschnitt. Eine reiche Farbigkeit der Akkorde, eine beispielhafte Phrasierung der Melodielinien, eine große Bandbreite in der Dynamik weitere Merkmale des Spiels beider Pianisten.
Aber Tim Sund hat auch andere einflüsse geschickt zu einer eigenen Sprache verknüpft. So bot er in einer längerenSlolpassage die intelligente und nicht auf Anhieb zu erkennende Verarbeitung eines Standards ("Solar" von Miles Davis), fast in Manier des großen Keith Jarrett.
Die Stücke Sunds bewegen sich stilistisch zwischen dem Newjazz der 80er Jahre und NeoBop. Auch freie Einsprengsel, die aber jeinen Selbstzeck verfolgen, sondern geschickt eingebettet sind, kommen vor. Die Themen erreichen durch das Zusammenspiel von Geige (Gregor Huebner) und Blasinstrument (Tom Christensen an Tenor und Sopransaxofon, Englisch Horn und Altflöte) eine schwebende Leichtigkeit. Huebner wie Christensen erwiesen sich zudem als ihrem Bandleader ebenbürtige Solisten. Carlos Bica am Kontrabass, ein Ausnahmekönner, und Andreas Griefingholt am schlagzeug, dessen Spiel von unablässig treibender Kraft ist, sind in diesem Quintett mehr als nur sattelfeste Begleiter, viel mehr gleichberechtigte Partner, die eigene Akzente setzen können.
RZ (Recklinghauser Zeitung), 21.10.2000
Spielfreude springt auf das Publikum über
Altstadtschmiede: Hochtalentiertes "Tim Sund Quintet" besticht durch lebendiges Konzert
Ihr Konzert im September des vergangenen Jahres galt als eines der schönsten in der Geschichte der JazzIni. Nun waren sie erneut zu Gast in der Altstadtschmiede, umjubelt von ihren Fans.
Musiker des Tim Sund Quintet, die es verstanden, Momente von großer Dichte zu zaubern. Eine Formation, in der jeder der Instrumentalisten sich als hochqualifizieter Solist erwies, ein Spiel, das bestimmt war von Klangintensität, Temperament und Präzision, vor allem aber von einer Musizierfreude, die mitriss. Ein Blick, ein Lächeln und es entstanden improvisierte Passagen von bezaubernder Lebendigkeit und Frische.
Hier war solideste Technik das Fundament, auf dem sich ein melodisch wie rhythmisch sehr intensives Spiel entfaltete.
Zu hören waren Titel der neuen CD "The Rains from a Cloud do not Wet the Sky", aber auch brandaktuelles wie "Ravi", ein stück, das Tim Sund für seinen zwei Monate alten Sohn geschrieben hat. Der Komponist und Pianist der Band gab hier mit schlankem, rhythmisch fein bemessenem Spiel schöne Impulse. Auch der Geiger Gregor Huebner (New York) faszinierte durch ein Musizieren, das mal im strengen Stil Bachs, mal folkloristisch gefärbt, durch elegante Vituosität bestach. Ein eidig schimmernder, expressiver Ton bestimmte das Spiel des Tenoristen Tom Christensen (New york), der sein Saxofon mehrmals gegen Flöte und Englisch Horn austauschte. Und schließlich zwei Musiker, die sich nicht nur als Rhythmus geber verstanden: Kontrabassist Carlos Bica (Lissabon) und Schlagzeuger Andreas Griefingholt (Köln). Für ihre differenzierten Soli wurden sie mehrmals mit Sonderapplaus bedacht.
WAZ, 23.10.2000
Musik erfüllt die hohen Erwartungen
Tim Sund Quintet begeisterte
Die Erwartungen des Publikums waren hoch. Doch die Musiker des Tim Sund Quintetts erfüllten sie voll und ganz.
Im Rahmen der JazzIni traf das international hochkarätig besetzte Ensemble im den in berlin lebenden Pianisten Tim Sund in der vollbesetzten Altstadtschmiede auf, dem Ort an dem sie vor gut einem Jahr eines ihrer "besten Konzerte überhaupt" (so Tim Sund persönlich in einer Ansage) gegeben hatten. Schon bei den ersten kräftigen ModernJazzStücken wurde deutlich, dassman auch diesmal zu musikalischen Höchstleistungen aufgelegt war.
Beeindruckend die schnellen Unisono Passagen von Sax und Geige, eine selten gehörte Kombination, die jedoch von Tom Christensen, der außer Sopran und Tenorsaxophon auch an Flöte und English Horn zu gefallen wußte, und Gregor Huebner an der Violine in erstaunliche Harmonie gebracht wurde.
Bassist Carlos Bica aus Portugal und der Kölner Schlagzeuger Andreas Griefingholt setzten neben der stets spannenden rhythmischen und melodischen Begleitung durch ihre herausragenden Soli weitere Akzente.
Was das Quintett neben der Präzision des Zusammenspiels auszeichnet, sind die einfallsreichen und gefühlvollen Kompositionen von Tim Sund, die sich im Spannungsfeld zwischen Klassik, Folklore und Jazz bewegen, ohne dabei konstruiert zu wirken, und die stets stark von Tim Sunds persönlichen Erfahrungen geprägt sind. Besonders deutlich dies bei "Ravi", dem ersten Stück nach der Pause, das Sund anlässlich der Geburt seines gleichnamigen Sohnes vor zwei monaten komponiert hat. Gelungen auch die Bearbeitung von Miles Davis´"Solar" (dem einzigen Standard des Abends), bei dem Sund die Spannung durch ein einfallsreiches PianoVorspiel grandios aufzubauen wußte.
Am Ende bedachte das begeisterte Publikum jeden der fünf Musiker mit reichlichem Applaus. Ein in jeder hinsicht gelungener Konzertabend.
Neue Osnabrücker Zeitung, 21.10.2000
Das Tim Sund Quintett beim "Jazzkongrazz"
Abwechslungsreicher Jazz, mal verträumt weitläufig, mal hochexpressiv
Saxofonist, Flötist und Englischhornist Tom Christensen und Geiger Gregor Huebner prägten als Frontline den ganz eigenen Sound des Ensembles, den gelegentlich Kontrabassist Carlos Bica mit sauber gestrichenen Melodien vervollständigte. Dazu kam der ganz eigene Stil des Bandleaders und Pianisten Tim Sund und das unglaublich dichte, unaufdringliche und präzise Schlagzeugspiel Andreas Griefingholts. Spaß machte es, der filigranen Abstimmung zwischen den Musikern zuzuhören, wie sie Akzente setzten und Spannung aufbauten, in einer Mischung aus LatinGrooves, hitzigen UpNummern, ruhig dahintreibendem JazzWaltz und stillen Balladen.
Der Tagesspiegel, Berlin, 25.05.2000
Klassik & Jazz
Als modern, farben- und ideenreich bezeichnet die Zeitschrift Jazzpodium die Arrangements des Pianisten Tim Sund.
Mit seiner Partnerin, der mexikanischen Sopranistin Erika Rojo, geht Sund jedoch noch einen Schritt weiter, und wagt mit seiner Fusion von Klassik und Jazz, was wenig andere bisher wagten.
Was sich wie ein klassisches Liedprogramm mit Werken von Schumann, Schubert, Mendelssohn und anderen anlässt, erhält durch die feinsinnigen Jazzimprovisationen von Sund und seiner Triobesetzung eine völlig neue Nuance und überzeugt damit vielleicht auch all jene, die klassische Konzertsäle bisher gemieden haben.
Angela Böttcher
Westfälische Rundschau, 23.05.2000
Jazzexperiment begeistert aufgenommen - Improvisationen klassischer Lieder
Ein musikalisches Experiment, das stilistische Grenzen überschritt, erwartete die zahlreichen Jazzfreunde in der CataCombe.
...
Auf der Grundlage klassischer Kunstlieder von schubert, schumann und de falla wurden jazzorientiert Improvisationen von atmosphärischer Dichte entwickelt.
Stimmungsvolle Klavierharmonien und melodiöse Einwürfe leiteten von südländischem Flair geprägte Stücke wie Manuel de Fallas "Asturiana" ein, die sich bald zu eksatatischen, virtuosen Soli von Klavier und E-Gitarre (David Heintz) hineinsteigerten, um dann am Schluss wie in einem musikalischen Bogen zur meditativen Atmosphäre des Beginns zurückzufinden. Dabei sorgten Dirk Strakhof (Bass) und Kai Schönburg (Drums) für eienen Klangteppich aus filigranen, flexibel swingenden rhythmischen Grooves.
Ohne exaltiert-opernhaftes vibrato, mit schlichter und glasklarer Intonation trug Erika Rojos klassisch geschulte Sopranstimme die anspruchsvollen Vokallinien. Dabei wurde Robert Schumanns "In der Fremde" zu beginn originalgetreu interpretiert und entwickelte sich erst allmählich zu einem spannenden improvisatorischen Trip. Verinnerlichte Seelenwelten offenbarten Strawinskys "Aria" und eine Eigenkomposition von Tim Sund, eine Vertonung von Goethes "Dämmerung".
Das musikalische Experiment wurde von den Musikkennern im Publikum begeistert aufgenommen, eine Zugabe war Pflicht.
Christoph Clören
Jazzthing, April/Mai 2000
Komponist und Pianist Tim Sund ist hierzulande kein Unbekannter mehr.
Mit seiner neuen CD "Das Lied", eingespielt mit der mexikanischen Sopranistin Erika Rojo, dem Gitarristen David Heintz, dem Bassisten Dirk Strakhof und dem Drummer Kai Schönburg, hat er nun eine lang gehegte Idee verwirklicht: "Der originale Gesangspart eines Liedes von Schumann und Manuel de Falla wird begleitet von einem Arrangement für Jazzensemble", so Sund im Booklet seiner CD.
Dieses Experiment ist ihm und seinen Musikern geglückt: durch einen variantenreich improvisierten Umgang mit dem vorgegebenen Material erhält Rojos lyrische Vokalkunst einen ungewöhnlichen , oft überraschenden musikalischen Hintergrund, ohne dabei gleich in Play-Bach-Platitüden zu versinken.
Martin Laurentius
United Jazz Society, Heft 3/2000, Mai/Juni
Ansätze, den "Third Stream", also den Versuch klassische und jazzorientierte Musik weiterzuentwickeln, gab es schon viele. Aber Tim Sund, Pianist aus Berlin, geht diesen Weg sehr individuell und bringt ein wunderbares Stück Musik heraus. Zusammen mit der klassisch ausgebildeten Sängerin Erika Rojo will er keine der beiden musikalischen Elemente, also Improvisation und klassische Interpretation zugunsten einer anderen Ebene aufheben.
Er geht an die klassischen Liedkompositionen von Robert Schumann, de Falla oder Ralph Vaughan Williams zunächst als klassischer Pianist heran.
Die Stimme orientiert sich am Original, die begleitung erspielt sich langsam andere harmonische Wendungen, behutsam kommt die Band mit klassischer Quartettbesetzung, erweitert um den Gitarristen David Heintz, ins Spiel.
Die Begleitung der Stimme, kompetent und virtuos arrangiert, erreicht so eine eigene Qualität. Klassische Melodie, gepaart mit jazziger Begleitung, die trotzdem homogen und klassisch klingt, hebt diese Produktion aus dem Einerlei der Vermischung von Jazz und Klassik heraus.
Gerade der klare und hervorragende Gesang von Erika Rojo formt eine ganz eigene Musik. Die Diskussion über mögliche Synthesen ist völlig unnötig.
"Das Lied" spricht für sich, intelligente Musik, die ihre Wurzeln in verschiedenen Welten hat, aber wen interessiert das, wenn sie so schön und wahr klingt.
Cadence - Magazine, USA, November 1999
Sund is clearly a lyrical piano soloist and composer.
This is a straightahead set of adventurous contemporary swing (check out the band's compelling grooves during "...In The Traffic", "Blue Trees", "...And Flowers pick Themselves" and "Traps").
Among the most evocative musical elements are the memorable unison exchanges between Frahm's soprano sax and Hübner's violin in "Lost Hills Road", "...In The Traffic", "Blue Trees", "...And Flowers pick Themselves" and the rhapsodic counterpoint of "Devi".
Hübner, Sund and the rhythm section show wonderful rapport during the atmospheric ballad "Erilinda", while Frahm's soprano sax sounds inspired during his cacading double tempo lines in "Blue Trees" and " …And Flowers pick Themselves".
Ultimately this compelling mainstream date possesses that essential ingredient: real passion. Recommended.
David Lewis
Neue Osnabrücker Zeitung, 17. Okt. 1998
Wie der Puls des "Großen Apfels"
New York im HDJ: Tim Sunds Quintett
So etwas gibt es nur in einer Stadt wie New York (dabei gibt es gar keine Stadt wie New York): In irgendeiner Wohnung treffen sich ein paar Musiker, "jammen" bis spät in die Nacht, und dann wird plötzlich eine Band daraus. So geschehen mit dem "Tim Sund Quintett". Diese Gruppe jedoch eine "Zufallsgemeinschaft" zu nennen wäre eine geradezu niederträchtige Geringschätzung.
Denn die fünf Musiker, die den zweiten Abend der vierteiligen Jazz-Galerie im Haus der Jugend bestritten, bilden ein Ensemble von außergewöhnlicher Homogenität, wie sie - gerade in Osnabrück selten zu hören ist. So passen Saxophon und Geige eine nicht gerade gewöhnliche Jazz-Kombination als Soloinstrumente überraschend harmonisch zusammen.
Joel Frahm, im "Big Apple" schon eine kleine Berühmtheit, ist ein Saxophonist ohne Allüren, der sich während der Soli der anderen auch schon mal hinter dem Vorhang versteckt. Seine Musik indes ist alles andere als scheu. Mal kräftig und virtuos, dann wieder sanft und zurückhaltend. Auch Gregor Hübner arbeitet exzessiv mit seinem Instrument. Die Geige schrillt, kreischt und sägt, sie schnurrt säuselt und singt. Kein Klang, keine Stimmung so scheint es die dieser Mann nicht aus seiner Geige herausholen kann. Und dabei bedient er sich allen Möglichen Musikrichtungen: Ein bißchen Irisch Folk, ein bisschen Zigeunermusik, ein paar Anklänge an Budapester Blut. Hübner vereint alles zu einer atemberaubenden Melange.
Pianist Tim Sund hat sämtliche Stücke für das Quintett komponiert und arrangiert seine Handschrift wird im Laufe des Abends deutlich. Er liebt getragene, stimmungsvolle Intros, die sich im Laufe des Stückes zu vielstimmigen, bisweilen flirrenden Klanggemälden steigern, um sich dann meist wieder zu beruhigen. Kein Wunder, denkt man manchmal, dass es diesen Mann nach New York gezogen hat. Seine Musik gleicht dem Puls jener Metropole. Besonders deutlich wird das bei "In the Traffic": Stau ist damit ganz gewiss nicht gemeint.
Das Quintett, vervollständigt durch die nicht minder exzellenten Andreas Griefingholt am Schlagzeug und Mark P. Brown am Bass, kann aber auch ganz ruhig sein. Ihr zweites Set beginnen sie, indem sie in Panflötenmanier in ihre leeren und halbleeren Getränkeflaschen pusten. Diese Sounds nehmen sie dann wenig später mit ihren Instrumenten auf, spinnen sie weiter, erweitern und verzerren sie, um am Ende wieder in die Flaschen zu pusten. Und als Zuschauer sitzt man da und denkt bebannt: That's Jazz!
Klaus Grimberg
Westfälische Rundschau, 17. Okt. 1998
Brillante Duelle der drei Solisten
Tim Sund-Quintett bot in der CataCombe Modern-Jazz der Extraklasse
Innovativer Modern-Jazz der Extraklasse begeisterte die Zuhörer in der gutbesuchten CataCombe. Nach seinem gefeierten Auftritt im Mai gastierte der Pianist Tim Sund mit seinem Quintett ein zweites Mal im Jazz-Club.
In seinen Kompositionen kombiniert der ambitionierte junge Komponist und Musiker klassische Spielfiguren, folkloristische Einflüsse und moderne Jazzharmonik zu einer eigenen, an sinnlichen Klangerlebnissen und virtuoser Spielfreude orientierten Klangsprache, die nichts mit trockenem Akademismus und extravaganten Free-Jazz-Lärm im Sinn hat.
So beeindruckte das quirlige Quintett zu Beginn mit intensiven Dialogen zwischen Violine (Gregor Hübner) und Saxophon (Joel Frahm). Südländisches Flair und groovige Latinrhythmen prägten die einzige Coverversion des Programmes, Manuel de Fallas "Asturiana" sowie die Eigenkomposition "Mexico". Ausgehend von meditativen Klangflächen verdichtet sich in Sunds Kompositionen die Musik in langen Spannungsbögen zu enthusiastischen, dynamischen Steigerungen.
Dabei verabschiedete sich Schlagzeuger Andreas Griefingholt von der Vorstellung eines bloßen Taktgebers und entwickelte ein vielschichtiges Geflecht perkussiver Klänge und Rhythmen. Ebenso verstand des Mark Brown, auf seinem Baß spannende Solo-Episoden zu kreieren. Melodiöse, nahezu klassisch inspirierte Melodiebögen des Pianos mit wenigen, aber ausdrucksvollen Tönen prägten die Ballade "Erilinda", die Tim Sund seiner Frau gewidmet hat.
Bis an die spieltechnischen Grenzen ging Gregor Hübner in seinem exstatischen Violinsolo in "The Song of Creation", während Saxophonist Joel Frahm in "Blue Trees" mit rasanten Soli und prägnanten melodischen Patterns begeisterte. In einer Hommage an Tim Sunds New Yorker Lehrer Richie Beirach lieferten sich die drei Solisten noch einmal brillante Duelle. Herzlicher Applaus wurde mit der Zugabe "El Rojo" belohnt.
Jazzhaus Magazin, Freiburg
Pianisten-CD Longseller
Tim Sund, der in der Kölner Kaderschmiede aufwuchs und 1993 Schüler von Richie Beirach in New York wurde, legt jetzt ein neues Album vor. Der 27-jährige Pianist entwickelt eine melodische, dennoch vielschichtige Tonsprache, angesiedelt zwischen Neuer Musik und Jazz. Sein Quintett, das gelegentlich jazzuntypische Instrumente einbezieht und auf diese Weise interessante Klangfarben schafft, steuert Sund in blendender Interaktion durch verschiedene Klanggebilde.
Reiner Kobe
Rheinpfalz, Mannheim, 9. Mai 98
Neue Namen, viel Talent
Tim Sund Quintett in der Alten Feuerwache
Eine starke Newcomerband gastierte nun bei der IG Jazz in der Galerie der Mannheimer Alten Feuerwache, das Tim Sund Quintet.
Kompositionen des Berliner Pianisten Tim Sund waren ausschließlich zu hören in Mannheim. Zu jedem Titel gab es auch einen Untertitel, der den Charakter des Stückes näher bezeichnete. Der "Song of Creation" war "Ananta", mit einem kräftig aufrauschenden, hymnischen Thema, hochgetragen von mächtigen Tremoloflächen.
Dazu gab es erregende Soli, etwa von Gregor Hübner an der Geige, der es packend lodern ließ, Biss und Eleganz vereinte. Ein großes Talent ist der aus Stuttgart stammende, in New York lebende Geiger (und Pianist), dem im Herbst der Landesjazzpreis Baden-Württemberg verliehen wird.
"Hunting Shadows" hieß der erste Titel des Abends, ein nostalgisch klingendes Thema nahe an Salonmusik. Eine expressiv und romantisch ausschwingende Nummer setzte das Thema gleichwohl in Gang. Romantisches Blut fließt ohnehin durch die komponierenden Adern von Tim Sund.
Dabei kommen die Themen dennoch harmonisch so gespannt daher, um starkes Hardbop Potential für die Improvisationen zu gewinnen. Aus melodischer Gefälligkeit findet Sund in seinen Soli schnell heraus, startet zu wirbelnden, flirrenden Läufen.
Eine große Begabung ist auch der junge Kölner Saxophonist Paul Heller. Hochinspiriert und wundervoll flüssig entwickelte er große gesangliche Bögen am Sopransaxophon, ließ die Linien farbenstark glitzern und gleißen, entwand Hochexpressives auch aus dem Tenorsaxophon. Viel Druck kam von der rhythmischen Basis, von den knorrig swingenden Basslinien von Mark Brown und dem locker trommelnden Andreas Griefingholt.
Rainer Köhl
Neue Osnabrücker Zeitung, 11. Mai 1998
Mitreißende und virtuose Musik Euregio-Jazzfestival in der Salzmarkthalle
... Eine ganz andere Richtung geht das Quintett des Pianisten Tim Sund, dessen Kompositionen den Abend eröffnete. Dicht und atmosphärisch waren die eher ruhigen Stücke, mit detailliert ausgearbeiteten Themen auf der einen Seite und großen Freiräumen auf der anderen. Das aufgelöste Spiel von Schlagzeuger Andreas Griefingholt und melodiöse Basslinien von Mark P. Brown lieferten den filigranen Hintergrund für den ebenso lyrischen wie expressiven Saxophonisten Paul Heller, für den grandiosen Geiger Gregor Hübner und für Tim Sunds klassisch angehauchten Klavierstil. Sicherlich war die Musik des Quintetts die am wenigsten eingängige bei diesem Festival, aber auch die interessanteste.
Ralf Döring
Eclipsed Magazin
Auf seiner Soloscheibe bezeichnet Green-Desert-Tree-Keyboarder Tim Sund seinen seligen Kollegen Keith Emerson als den größten Rock-Keyboarder aller Zeiten“. Mit „Emersonia“ setzt er diesem gleich mit dem ersten Track ein Denkmal: brachiale Fanfaren, Harmonien wie aus dem ELP-Signature-Buch, eine hochdynamische Emerson-Hommage mit abgefahrenem Fusion-Solo. Auch „Fast Finger Rick“ sagt´s gleich im Titel. Tatsächlich gelingt es Sund, Unterschiede im Spiel und Anschlag dieser beiden Tasten-Großmeister darzustellen. Alex Will´s Bass gibt ebenfalls ein virtuoses Solo. „Lyle Travels“ ist dem früheren, leider wie Emerson bereits verstorbenen Pat-Metheny-Tastenmann Lyle Mays gewidmet. Hier wird jazziger gearbeitet und das Klavier steht mehr im Vordergrund.
Eine schöne musikalische Landschaftsbeschreibung. Die Ballade „With You“, gewidmet der eigenen Frau, gerät ein wenig arg romantisch/schönmalerisch. Das Titelstück ist dagegen eine spannende Prog-/Fusion-Reise über unsere aktuellen stürmischen bedrohten Zeiten, gewidmet den „Fridays for Future“-Aktivisten. „F-Minor Trip“, nah an Pat Metheny, steigert sich in einen echten Rausch. Coole Tasten-Scheibe.
Eclipsed Magazin 2/2023
Betreutes Proggen
„Der Name Tim Sund ist auf diesen Seiten schon gefallen, und zwar bei der Vorstellung eines hoch talentierten deutschen Newcomers mit dem Namen Green Desert Tree. Das Debütalbum des Berliner Quintetts erhielt sehr positives Echo. Absolut berechtigt, wenn man sich das Debütalbum “Progressive Worlds” anhört. Nun also ein Album unter dem Namen des Keyboarders, was ist also zu erwarten?
Nach dem ersten Hördurchgang lässt sich festhalten, dass dieses Album mit der Musik der Stammband nicht allzu viel gemein hat. Was aber durchaus nicht für die Besetzung gilt, denn die ist zu 100% Green Desert Tree DNA, denn Sund wird von der Rhythmustruppe der Berliner Progrocker begleitet, d.h. Alex Will am Bass und Jonathan Gradmann am Schlagzeug. Und das nicht nur auf ausgewählten Songs, sondern auf allen acht Kompositionen, die übrigens komplett ohne Gesang auskommen. Man hätte die Formation also auch Tim Sund Trio nennen können. Doch dieses Trio gab es bereits in der Vergangenheit, allerdings in einer anderen Zusammensetzung, also macht ein neuer Name wohl Sinn.
Das schöne Digipack enthält zu jedem Song einige Zusatzinformationen, und so erfährt man, dass einige Titel Tastenkünstlern gewidmet sind, die Sund maßgeblich beeinflusst haben. Wobei dies nicht vollkommen überraschend kommt, wenn man sich die Songtitel anschaut. So startet das Album mit dem Track ‚Emersonia‘, das er dem seiner Meinung nach größten Rock-Keyboarder Keith Emerson gewidmet hat. Wie so viele, hatte er „Pictures at an Exhibition“ in jungen Jahren in der Schule gehört und war hin und weg. Und diese Inspirationsquelle ist natürlich gerade auf diesem recht flotten Song unüberhörbar. Und es zeigt sich auch gleich, dass er von einer starken Rhythmusfraktion begleitet wird. Es folgt ‚Fast Finger Rick‘, wo er ein paar typische Wakeman Läufe folgen lässt. Doch auch der Bass darf auf dieser Nummer mal kurz in den Vordergrund treten.
Es folgt ‘Lyle Travels’, das Sund kurz nach dem Tod des langjährigen musikalischen Begleiters von Pat Metheny, Lyle Mas, schrieb. Hier weiß vor allem das wunderschöne Klavierspiel zu Beginn zu gefallen. Und so geht es auf hohem Level weiter auf den abwechslungsreich gestalteten folgenden fünf Titeln. In der Mischung aus Symphonic Prog und Jazz stehen logischerweise die Tasteninstrumente im Vordergrund, die aber tatkräftige Unterstützung durch die Rhythmusfraktion erhalten. Insgesamt überwiegt der Jazz Anteil, den Sund in dieser Formation auch besser ausleben kann als bei Green Desert Tree. Alle Titel enthalten Soloparts, deren zugrunde liegendes Equipment pro Song genannt sind, als da wären Moog One, Moog Sub37, Nonlinear Labs C15, Korg Kronos Piano, Korg Kronos Mark V.
Als Anspieltipp eignet sich auch der Titelsong sehr gut, denn diese Zehn-Minuten Nummer erweist sich als ausgesprochen abwechslungsreich und zeigt sehr gut, was den Hörer hier erwartet. Gewidmet ist dieser Titel übrigens den jungen Aktivisten der “Fridays for Future”-Bewegung – passend zum Songtitel. Nicht unbedingt das, was man zunächst von einem Soloalbum des Green Desert Tree Keyboarders erwartet hätte – stattdessen mit dem starken Jazz-Einschlag eine weitere Facette und Beleg für die Kompetenz der Musiker. Wer aber, wie der Schreiberling, nicht über die Schiene Green Desert Tree auf dieses Album gekommen ist, sondern die früheren Werke bereits kannte, ist natürlich über die starke Jazz Komponente kaum überrascht, denn dies pflegte der Protagonist schon in der Vergangenheit.“
www.betreutesproggen.de
hr2 Jazzfacts, 01.04.2023 mit Wolf Kampmann
Elektronische Keyboards haben im Jazz ja erst relativ spät Einzug gehalten und ihren Höhepunkt in den 70er Jahren mit Chick Corea, Herbie Hancock, George Duke und Joe Zawinul gefeiert.
Der Berliner Keyboarder Tim Sund zollt nun genau dieser Epoche mit seinem brandneuen Album „The Future on our Doorstep“ seinen Tribut. Zu einer halben Stunde farbenfrohen Tastenzauber begrüßt sie Wolf Kampmann.
(Musik: Emersonia)
Tim Sund an verschiedenen Keyboards mit Alex Will am Bass und Jonathan Gradmann am Schlagzeug und Emersonia, einer Verneigung vor Keith Emerson, dem Tastenmann von Emerson, Lake and Palmer. Das ganze Album „The Future on our Doorstep“ ist ein wollüstiges Fest elektronischer Keyboards, und dem pflichtet auch Klangforscher Tim Sund selbst bei…
Tim Sund (TS): Ja, stimmt. Darum geht´s eigentlich: das Synthesizer-Spielen und mit Synthesizer-Sounds-Umgehen wiederzubeleben, also in so einer etwas ursprünglicheren Form. Nicht elektronische Musik am Rechner produzieren, sondern live auf der Bühne mit echten Instrumenten zu spielen und das zu zelebrieren.
(Musik: Fast Finger Rick)
Das klingt nach vollem Einsatz. Eine weitere Hommage von Tim Sunds Album „The Future on our Doorstep“, diesmal an Yes-Keyboarder Rick Wakeman, den er Fast Finger Rick nennt. Wenn man diese Platte, die auch auf Vinyl erschienen ist, hört, kommt es einem vor, als wäre das eins der schönsten Alben der 70er Jahre, nur eben aus dem Jahr 2023. …
TS: Ja, das gefällt mir (lacht). Ich nehme das als Kompliment entgegen. Ich glaube mein Vorteil gegenüber denen ist, dass ich die Inspirationen schon aus den 70ern natürlich habe und das alles miteinander verbinden kann. Kann ein Nachteil sein, kann aber auch ein Vorteil sein. Tony Banks war immer ein Tony Banks, aber da fehlten viele Sachen, die zum Beispiel Keith Emerson hatte. Bei mir ist es jetzt wie so eine Vermischung durch meinen eigenen Geschmack.
Was Tim Sund von den Keyboard Giganten der 70er Jahre unterscheidet, ist sein Dienst an der Musik. Er prahlt nicht mit seinen Gerätetürmen, wie man das teilweise bei Chick Corea, Herbie Hancock oder auch Rick Wakeman erlebte, sondern bringt genau das zu Gehör, wonach das jeweilige Stück verlangt. Das allerdings mit Inbrunst und Leidenschaft. …
TS: Ich habe ja auch schon verhältnismäßig viel Equipment, aber wenn Du das jetzt tatsächlich vergleichst mit Herbie Hancock und Chick Corea, dann ist natürlich doch noch ein großer Unterschied. Die haben ja praktisch fast für jeden Sound ein neues Instrument, und das ist natürlich dann wirklich eine Materialschlacht. Und bei mir ist es so, dass ich mir halt sage: okay, ich leiste es mir jetzt vier Instrumente mit auf die Bühne zu nehmen. Das ist schon relativ viel, auch weil es jetzt recht große Instrumente sind. Aber ich versuche alles über einen längeren Zeitraum damit zu machen und da in die Tiefe zu gehen und so viel Qualität rauszuholen wie möglich. Ich habe den Eindruck, dass diese Jungs damals ständig so viele neue Instrumente bekommen haben - vielleicht auch weil sie dann Werbung dafür gemacht haben, dass sie gar nicht tief eingedrungen sind. Ich finde die beiden Keyboarder, die rausstechen damit, dass sie wirklich eigene Sounds gemacht haben, die über lange Zeit Wiedererkennungswert hatten, waren Joe Zawinul und Lyle Mays. Das sind die einzigen. Chick Corea und Herbie Hancock haben eigentlich immer irgend. Das ist erstaunlich.
(Musik: Lyle Travels)
Jetzt haben wir drei Hommagen gehört, an Keith Emerson, Rick Wakeman und zuletzt Lyle Mays, der sich ja mit der Pat Metheny Group unsterblich gemacht hat. Diese drei persönlichen Verneigungen stehen am Anfang des Albums. Warum gerade diese drei?
TS: Ich glaube Keith Emerson und Lyle Mays, weil sie relativ kurze Zeit zuvor gestorben waren, also es war wirklich so eine Hommage an meine Heros. Und bei Lyle Mays war es auch wirklich eine direkte Reaktion. Als ich erfahren habe, dass er gestorben ist, gab es ein paar Tage später dieses Stück. Es war also eine von Herzen kommende Reaktion. Bei Fast Finger Rick ist es eher so, dass ich gerade in den letzten Jahren wieder sehr viel diese Art von Musik höre, die ich früher in meiner Teenagerzeit gehört habe. Rick wurde irgendwie wieder wichtig: Und dann hatte ich irgendwann mal einen Livemitschnitt gesehen, wo er bei einem Yes-Konzert so ein krasses Solo-Ding gemacht hat. Alle gehen von der Bühne und Rick feiert sich selbst. Und da war so eine Stelle, wo er auch mit so komischen Fingerrepetitionen rumgespielt hat. Das sah aus wie so ein kleiner Zirkus mit den Fingern. Und das hat mich tierisch inspiriert. Das fand ich so cool. Dass ich mir gedacht habe: ich mach so ein Stück mit so einer Art von Technik. So ist diese fast Finger Rick entstanden.
Wer jemals Tim Sund gehört hat, weiß aber auch, dass er ein großer Verehrer von Chick Corea und Herbie Hancock ist, die irgendwie immer in seiner Musik drinstecken. Ist das Album nicht auch irgendwie eine Hommage an diese beiden?
TS: Es ist immer eine Hommage an Herbie Hancock und Chick Corea, weil das meine größten Helden sind. Aber in diesem Fall gibt es kein spezielles Stück, das den beiden gewidmet ist. Wobei ich darauf hinweisen muss: zwei Platten vor dieser Platte habe ich ja diese Mwandishi-Platte rausgebracht – da ist ja ein ganzes Album Herbie Hancock gewidmet. Und tatsächlich ist mein nächstes Album ein Chick Corea Tribute Album, das gerade aufgenommen wurde. Das heißt dann „The Boy from Chelsea“.
Natürlich sind nicht alle Songs auf „The Future on our Doorstep“ Hommagen. Hören wir deshalb einfach mal in den Titelsong rein.
(Musik: The Future on our Doorstep)
The Future on our Doorstep“, ein Song, der zwar wie gesagt keine Hommage an einen Musiker ist, aber der Bewegung Fridays for Future gewidmet ist. Die bisherigen Songbeispiele zeigen uns ja, dass es Tim Sund relativ Schnuppe ist, ob man seine Musik nun ProgRock, Electric Jazz oder wie auch immer nennt. Das ist wirklich eine genretechnisch absolut barrierefreie Musik, in der die genannten Kategorien unprätentiös ineinander aufgehen.
TS: Ja, ich denk auch so. Man muss wahrscheinlich erst ein bestimmtes Alter erreicht haben – ich bin Anfang 50, wo da s auch bei mir überhaupt ging. Man geht ja durch Phasen in seinem Leben. Man denkt dann erstmal: man muss jetzt das lernen, das ist jetzt wichtig, man muss sich beweisen, man muss sich seine Hörner abspielen, usw… Und jetzt ist es halt so, dass ich denke: ich bin einfach der, der ich bin und ich mach das, was mir gefällt und ich folge einfach nur noch meiner Nase. Und die Nase führt mich halt dahin, das einfach alles zu verbinden. Insofern kann man auch sagen zum Beispiel beim Titelstück „The Future on our Doorstep“: da ist ja ganz viel Prog drin, aber eigentlich ist im Solo Teil Herbie ganz stark vertreten.
Nun hat Tim Sund das Album ja nicht alleine aufgenommen, sondern mit zwei deutlich jüngeren Musikern, Bassist Alex Will und Drummer Jonathan Gradmann, die natürlich musikalisch ganz anders sozialisiert sind als er selbst. Trotzdem geben sie im richtigen Zunder und treiben ihn pausenlos an. Wie kam der Keyboarder zu dieser Rhythmusgruppe?
TS: Ja, das ist sehr witzig, weil eigentlich beide aus einer Art Schülersituation mit mir zusammengekommen sind. Alex Will war vor seinem Musikstudium am JIB (Jazz Institut Berlin) in der Studienvorbereitung bei mir und war lange Zeit mein Schüler, war in meinem Geschichtskurs, war in meiner Band. Und da habe ich gleich gemerkt, auf den Typen kann man sich verlassen, spielt cool, ist am Start, ist einfach ein super Typ. Und da habe ich gleich als er fertig war bei uns, und er im Begriff war am JIB anzufangen zu ihm gesagt: Alex, lass uns mal im Kontakt bleiben. Ich würde gerne mit Dir eine Rockband gründen. Und er so: „Ich bin dabei.“ Und Joni, der Schlagzeuger, kommt ja aus einer Musikerfamilie. Sein Vater, Carsten Gradmann, ist auch schon Jazzmusiker aus Berlin, hat auch schon an der Hanns Eisler studiert. Und sein Sohn Joni, der ist dann nach Weimar gegangen. Und als er wieder in Berlin war, hat er mitbekommen, dass ich einen Synthesizer Workshop gegeben habe.
Und bei meinem ersten Synthesizer Workshop tauchte Joni auf. Und ich wusste gar nicht, dass der eine Schlagzeuger ist. Er war ein super engagierter Teilnehmer, total clever, smart mit Synthesizern. Und irgendwann kam er an und meinte: „Guck mal, Tim. Ich habe hier so ein Trio, mit dem ich gerne ins Studio gehen würde. Welches Studio würdest Du empfehlen?“ Und dann hat er mir Musik vorgespielt. Und ich habe so gedacht: Ähm, ich will mit dem spielen. Das ist ja ein super Schlagzeuger. Ich finde Joni absolut genial. Für jede Art von Akzenten, die ich in einer Komposition habe, entwickelt er einen neuen Groove.
Viele Namen sind hier gefallen, dabei sollte man aber nicht vergessen, das Tim Sund vor allem immer nach einem Musiker klingt: nach Tim Sund. Und genau das macht seine Musik besonders.
Bevor wie zum Abschluss seiner neuen Platte “The Future on our Doorstep“ noch den Song „Walking in the Sonic Field“ hören, verabschiedet sich am Mikrofon Wolf Kampmann.
hr2 Jazzfacts, Wolf Kampmann
Jazzpodium, Juli/August 2006
Der deutsche Pianist Tim Sund wurde Anfang der 1990er Jahre von Richie Beirach entdeckt. Von diesem hat Sund auf seinem Solodebüt "As Dark As The Sun" zwei Stücke (eines davon als hidden track) aufgenommen, ein weiters stammt von John Abercrombie, die restlichen neun Stücke sind eigene Tonschöpfungen. Er bemüht gerne flächige Soundcluster, mit denen er sich improvisierend wie ein Klangforscher vorarbeitet. Dabei klingen zweifelsfrei Einflüsse wie Art Tatum, Chick Corea und Keith Jarrett aus dem Jazz oder Bartók und Strawinsky aus der Klassik an - aber stets im Rahmen organisch entwickelter Improvisationen und keineswegs plakativ. Was Sund an Material zusammenträgt, spricht für schöpferische Größe. Seine Gestaltungskraft zeigt künstlerische Reife. Er lässt den Improvisationen Raum, verdichtet sein Spiel, wenn es die Dramaturgie erfordert. Sein Spiel kann mit repetitiven Mustern dahinwandern, kann impulsiv ausbrechen, frei gleiten, wird wieder eingefangen, kann lyrisch verzaubern, bleibt immer spannend, kann erregen und ist spürbare Emotion aus des Künstlers Seele.
Matthias Weiller
Jazzflits, Mai 06, NL
"As Dark As The Sun" ist das achte und erste Soloalbum von Tim Sund (1971); Dieser junge Deutsche Pianist ist seit Beginn der neunziger Jahre wohnhaft in New York. Jazz mit klassischen, minimalistischen Zügen, balancierend zwischen Komposition und Improvisation. Ihm zufolge inspiriert durch unter anderem Herbie Hancock, Bill Evans, Chick Corea, Paul Bley, McCoy Tyner, Keith Jarret, Richie Beirach und Lyle Mays (Ähnlichkeiten mit der Solo CD von Mays "Solo-Improvisations For Expanded Piano" 2000, fallen auf). Die Musik von Sund ist Weltmusik ohne weitschweifig zu werden. Die Ausarbeitung der Themen sind überraschend und halten den Zuhörer gefesselt. Hier fällt auch eine Ähnlichkeit mit Bill Evans auf, der in minimal bemessenem Raum das Maximale zu erreichen wusste, mit einer begrenzten Menge Noten eine Geschichte erzählen zu können. In diesem Sinne hat seine Musik auch etwas von dem, was Misha Mengelberg tut. Die Verspieltheit und der Humor, die kleinen versteckten Scherze in den Akkorden. Sund ist in diesem Sinne auch ein begabter lyrischer Pianist, der einen mitnimmt, in seine Erzählung. "As Dark As The Sun" ist eine Platte, die sich traut die traditionellen Wege zu verlassen. Das ist Jazz wie Jazz sein kann, starke Schemen, aber gleichzeitig unbegrenzte Freiheit.
(Übersetzung: Mareike Voss)
Kultruradio am Mittag, 10.05.2006
Für jeden Pianisten ist das Solospiel eine ganz besondere Herausforderung - physisch, vor allem aber künstlerisch. Vor allem Jazz-Pianisten, deren Spiel durch die Spannung zwischen Komposition und Improvisation geprägt ist, sehen im Solo-Spiel quasi eine Art Ritterschlag. Diesen erhält der Pianist Tim Sund nun mit seinem inzwischen 8. Album, As Dark As The Sun.
Der Komponist und der improvisierende Pianist finden kongenial zusammen. Das klassisch geprägte Formbewusstsein und die Freiheit der Spontaneität gehen eine Symbiose ein. Sund leugnet nicht seine Vorbilder Herbie Hancock, Chick Corea (dem er ein Stück widmet), Keith Jarrett, Paul Bley oder seinen früheren Lehrer Richie Beirach (von dem er zwei Kompositionen spielt). Dabei hat er aber einen eigenen Stil entwickelt, der wie bereits auf einigen früheren Produktionen auf immer wieder überraschende Weise Klassik und Jazz, Komposition und Improvisation, eingängige Melodien mit freiem Spiel vereint. Der Klang der Aufnahme ist sehr direkt und warm.
Parallel zur CD erscheint ein 72-seitiges Buch mit allen Kompositionen bzw. Transkriptionen der CD und einem Interview, das der Produzent Robert Seidel mit Tim Sund führte.
Bewertung: ***** (=großartig)
Ulf Drechsel
Cadence Magazine, USA, January 2006
"Trialogue" presents Sund in a trio setting with bassist Martin Lillich and drummer Michael Kersting. Sund proves to be an expressive pianist, gleaning the usual sources for inspiration, but displaying a broad range of capabilities, no doubt one of the mamy lessons learned from Richie Beirach. As for the program, the trio tackles five standards, a few Sund pieces, and four improvised pieces. Regarding the standard portion of the program, Sund and Co. Attempt to make these familiar melodies sound new again, certainly not a new vocation, but one that has fruitful results here. The opening cut, "Nardis," demonstrates that this trio seeks to chart its own course, spreading the familiar melodiy amongst the trio's low ended vamp, with bridges that intesect the rhythmic flow, as Sund's shimmering notes twirl. Similarly, the trio jumps into "When Will The Blues Leave" with a giddy joy and breaks apart the familiar "I Hear A Rhapsody" into a new tune altogether, "Hidden Rhapsody". For the trio's romantic look at the standards, "Blue In Green" is glorious, while the trio again deconstructs "The Peacocks" as haunting ballad coaxed by Martin Lillich's lithe arco expressions.
As for the Sund originals, the trio glides along on the buoyant waltz of "Puzzle 1499," with Lillich's punchy pizzicato thoughts amidst Kersting's shuffling brushwork, while both "El Rojo" and "Ravi" present the most romantic side of the trio. Finally, the four improvised "Trialogue" pieces demonstrate another side of the trio's art, moving from more abstract tones ("#1: The Cage Map") to heavy swing ("#2: Lets Open The Year") to fragile icicles ("#3: A Deeper Season") to a cool breeze on a winter eveing ("#4: The Evergreen Terrace"). A solid piano trio date from start to finish that while perhaps not as incredible as beirach's liners might suggest, is noteworthy for its staying power. While "Trialogue" presents Sund leading his trio, "Americana" springs from an invitation from American reedist (and previous collaborator) Tom Christensen to perfrorm in a series of New York concerts, with each player utilizing a favorite sideman for a one-off quartet. Christensen brought bassist Ben Allison and Sund brought over Kersting. The most interesting aspect of this recording is that although it is entitled Americana, the overall results place this record easily within the ECM realm, with its breezes of melancholic aloofness and introspective poles that rarely thaw. That's not necessarily a bad thing, of course, depending upon your inclinations. This sonic wallpapering gets under way immediately with the forlorn first cut, "Americana," coming straight out of the Lyle Mays/Pat Metheny school, with its airy keyboards and Christensen's soaring Engish horn amidst buoyant basslines and floating cymbal work. Along similar horizons is the icy beauty of "Akire" with its lucious piano, Christensen's fluid flute work and Allison's riveting pizzicato solo, as well as the contemplative "Nozomi," a fine feature for Christensen's English horn. The group also ventures into the straight-ahead territory on the solemn, minor blues waltz, "New Chances" and the eminently swinging "Pit Jazz," both of which allow the musicians to spotlight the basics. Surprisingly, the quartet also walks close to the edge on numbers like "The Watcher and The Moon," with Sund's plucked strings and Christensen's fluttering alto flute, Carla Bleys "Vashkar" with its tension-filled suspensions and "The Cosmic Lawn," a dramatic, mostly freely improvised piece that features Kersting's shuffling hi-hat rhythms, Christensen's bass clarinet, Sund's chord washes, and the piece's motivator, Allison's sitar-like bass tones. An intriguing set once again demonstrating the global stretch of this music.
Jay Collins
Jazz Podium Mai 04
Ersatzlösungen müssen nicht immer die schlechtesten sein. Das Ergebnis von Tim Sunds und Tom Christensens "Americana" jedenfalls ist das bemerkenswerte Resultat eines solchen Vorfalls. Im Herbst 2000 hätte eigentlich Saxophonist Joel Frahm mit dem deutschen Pianisten Tim Sund auf Tour gehen sollen, der aber schickte seinen ehemaligen Lehrer Christensen. Weil der vielseitige Holzbläser (Saxophone, English Horn, Bassklarinette, Altflöte) und der für seine orchestralen Kompositionen bekannte Tastenmann sich musikalisch gut verstanden, holten sich beide mit Bassist Ben Allison und Schlagzeuger Michael Kersting noch weitere gute Bekannte ins Boot - und ab ging die Reise. "Americana" ist geprägt von einem sehr warmen und weichen Sound. Eberhard Weber, Charlie Mariano und Rainer Brüninghaus oder auch Lyle Mays fallen einem nach den ersten Tönen des Titelstücks sofort ein, und im entsprechend sich an moderner Jazzharmonik und klassischen Spielfiguren orientierenden Stil geht es in der Folge auch weiter. Gekonnt wird dabei musikalischen Einflüssen und Eindrücken aus dem Ursprungsland des Jazz nachgespürt, klassische Komponisten wie Copland, Berg, Messiaen oder Strawinsky dabei nicht verkannt. Schwer zu sagen, welches nun das schönste Stück dieser Einspielung ist. "Nozomi", in dem Tim Sund sich mit dem Werk des Japaners Toru Takemitsu beschäftigt, birgt, wie der Untertitel "Secret garden" andeutet, allerlei geheimnisvolle Entdeckungen. Satt hören kann man sich nicht genug daran.
Thomas Volkmann
Jazzthing April/Mai 04
Der Amerikaner Tom Christensen prägt ganz entscheidend das Klangbild des neuen Quartetts des Pianisten Tim Sund. Man muss Christensen einen Multi-Instrumentalisten nennen, denn neben Tenor- und Sopransaxofon spielt er auf diesem Album noch Englischhorn, Flöte und Bassklarinette. Für Vielfalt ist also gesorgt und die Stücke, die meist von Sund stammen, machen sich diese Vielfalt zunutze. Seine Themen atmen eine großzügige Weite und sind von folkloristischen Einsprengseln durchsetzt, so dass der Titel "Americana" nicht schlecht passt. Man kann förmlich baden in diesem für ein Jazzquartett großorchestralen Klang, und die zwischendurch stattfindenden freien Klangexperimente, in denen Sund beispielsweise die Saiten seines Flügels mit einem Glas bearbeitet, fügen sich wie eine selbstverständliche Facette dieses Klangs ins Gesamtbild des Albums.
Rolf Thomas
Stereoplay 04/04
Auch der junge Pianist Tim Sund setzt für sein Album "Americana" auf die deutsch-amerikanische Freundschaft und liefert sich mit dem vielseitigen New Yorker Bläser Tom Christensen melodisch anspruchsvolle Zwiegespräche voller Poesie, die US-Bassist Ben Allison mit dem Drummer Michael Kersting reizvoll unterfüttert. Glänzend aufgenommen, braucht dieses Quartett den Vergleich mit bekannteren Kollegen nicht zu scheuen. Musik: 8-9, Klang: 9, Repertoire: 8
Sven Thielmann
Amazon.de, September 2003
"Kreative Trio-Scheibe"
Ein federleichtes Schlagzeug, ein dezenter Kontrabass und die lyrischen Klavier-Improvisationen eines Bill Evans - es gab eine Zeit, da galt das Klavier-Trio unter Jazzern als Königsdisziplin. Ganz so ist es heute leider nicht mehr: Zwar herrscht kein Mangel an talentierten Nachwuchspianisten, viele von ihnen scheinen sich jedoch nicht so recht für eine Fortsetzung der Tradition begeistern zu lassen, schließlich muss Jazz "innovativ" sein - und das fast um jeden Preis. Der junge Berliner Pianist Tim Sund sieht das völlig anders und zeigt mit seinem Album "Trialogue", dass das klassische Klavier-Trio auch noch im 21. Jahrhundert mit zum Schönsten gehört, was der Jazz je hervorgebracht hat. Sunds melodisches Spiel erinnert an das Michel Petruccianis, seine Stückeauswahl reicht von Standards bis Eigenkompositionen. Respektvoll, aber nicht übertrieben ehrfürchtig interpretiert er die Miles Davis-Klassiker "Blue in Green" und "Nardis" und sucht in seiner Tetralogie "Trialogue #1 - #4" immer wieder die musikalische Konversation mit den Bandmitgliedern Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums). Ein kreatives und ideenreiches Album von Musikern, die nicht den Anspruch erheben, den Jazz neu erfunden zu haben, sondern versuchen, ihn im traditionellen Sinne weiterzuentwickeln.
3. Deutsche Jazzwoche im WDR, 05.11.2002 Young German Piano Masters
Wolfgang Dauner, Alexander von Schlippenbach, Georg Gräwe: die deutsche Jazzszene ist reich an international renommierten Pianisten. Weniger bekannt hingegen ist die jüngere Pianisten-Generation, die in ihrem originellen Spiel nach den Improvisations-Sternen greift. Aber auch Tim Sund, Bernhard Pichl und Hubert Nuss werden bald, meinen Jazz-Experten, in aller Jazz-Munde sein. Günther Huesmann
Jazzthetik, November 2002
**** Wer Klaviertrios mit unverbrauchtem frischen Approach mag, der sollte sich den Namen Tim Sund merken. Der in Berlin ansässige Pianist legt mit Trialogue seine nunmehr sechste CD-Produktion vor. Der 30-jährige Sund hat mit seinen Begleitern Martin Lillich (Kontrabass) und Michael Kersting (Schlagzeug) einen wunderbaren Gruppensound gefunden, wobei der Begriff Begleiter definitiv die falsche Bezeichnung ist, da Kersting und Lillich als gleichberechtigte Partner agieren, die dem Klavier aber auch einen Teppich zum Losfliegen weben. Das Trio mischt Eigenkompositionen von Sund mit Standards und Gruppenimprovisationen, die die Stärke des Trios zur Geltung bringen. Sund ist ein geschmackvoller Arrangeur von Standardmaterial. Stücke wie "Nardis" oder "Blue in Green" erscheinen in neuem Licht. Richie Beirach, ehemaliger Lehrer von Tim Sund, zeigt sich in seinen Liner Notes absolut begeistert über die neue CD seines Schülers. Mit Trialogue habe Tim Sund seine eigene Stimme gefunden, und das könne der Zuhörer am besten an Standards messen, da er da die Referenz hat. In dem Falle hat es sich Sund nicht einfach gemacht, denn Kompositionen wie "Blue in Green" oder "Nardis" lassen immer sofort an Bill Evans denken. Doch die neue Triobesetzung (die übrigens mittlerweile eine neue Produktion in New York eingespielt hat) braucht sich keineswegs hinter den Vorbildern verstecken. Hoffentlich bleibt die Besetzung Sund-Lillich-Kersting längerfristig zusammen - diese Besetzung ist mehr als vielversprechend. Angela Ballhorn
Jazzthing, November 2002 Focus
"Dies ist eine echte Trio-Aufnahme", schreibt Richie Beirach, Pianist, Komponist und Tim Sunds Lehrer, in den Liner Notes zur neuen CD seines 30-jährigen Piano- und Kompositionsschülers, "Trialogue". Aber "der Anteil von Michael und Martin", so Beirach weiter, "ist nicht zu unterschätzen. Tim ist sicherlich der Leader, aber gleichzeitig ist er auch ein exzellenter Zuhörer, der dem Drummer und dem Bassisten Freiheit und Raum zur Entfaltung lässt." Auch wenn man vergleichbare Liner-Notes schon oft gelesen hat, so treffen Beirachs Bemerkungen dennoch den Kern: Sund ist mit seinem sechsten Album unter eigenem Namenein "echter" Bandleader geworden, der es eben nicht mehr nötig hat, seine Virtuosität und Musikalität dem Publikum unter Beweis stellen zu müssen. "Trialogue" offenbart einen spannenden Mix aus bekannten Jazz-Standards (unter anderem "Nardis" und "Blue in Green") und Originalkompositionen, die Sund gleichsam als überraschende Interludes in das Repertoire der CD einbettet. Aber wodurch sich die Musik von Sunds Trio vom Gros vieler Jazz-Piano-Trios unterscheidet, ist das engmaschige Netz, das der Pianist mit dem Bassisten Martin Lillich und Drummer Michael Kersting knüpft. Hier ziehen drei gleichberechtigt agierende Musiker gemeinsam an einem Strang und legen mit ihrem sensibel improvisierenden Zusammenspiel die Grundlagen ihrer oft auch humorvoll klingenden Musik offen: Die drei haben zwar Respekt vor den großen Meistern der Jazz-Geschichte, verleugnen aber nicht ihre Wurzeln in einer zeitgenössischen, europäisch geprägten Improvisationsmusik.
Und nach dem Hören der CD muss man sich fragen, warum Sund noch immer nicht in die erste Liga der deutschen Jazzpianisten aufgestiegen ist - das musikalische Talent und die instrumentale Meisterschaft besitzt er auf jeden Fall! Martin Laurentius
Stereo/FonoForum, Oktober 2002
Dreiergespräch
Dass der 31-jährige Pianist Tim Sund bereits sein sechstes Album vorlegt, ist bemerkenswert genug. Sund stammt aus Hagen, sein Weg führte über Köln und New York nach Berlin. Richie Beirach war es, der ihn in den "Big Apple" holte und sein Mentor wurde. Er produzierte ihm ein Duoalbum; für das vorliegende verfasste er die Liner-Notes. Entscheidend geprägt wurde Sund auch durch ein klassisches Kompositionsstudium an der Manhattan School of Music. Die beiden Alben seines Quintetts, das statt mit einem zweitem Bläser mit einem Violinisten besetzt ist, stellten den Komponisten Sund in den Vordergrund; eines mit der Sängerin Erika Rojo war Jazzinterpretationen klassisch-romantischer lieder gewidmet.
Jetz zeigt Sund sich von einer anderen Seite. Zum ersten Mal kommt er indem Format, das die Dreifaltigkeit des Modern Jazz verkörpert, im klassischen Pianotrio, und legt den Akzent auf die persönliche Interpretation von Standards, ergänzt um eigene Stücke und ein paar Kollektivimprovisationen.
Mit "Nardis" und "Blue in Green" nimmt er sich jene beiden Nummern vor, die mit den Namen Miles Davis und Bill Evans verbunden sind, ohne dass deren Autorenschaft bis heute geklärt wäre.
Ornette Colemans "When Will The Blues Leave" und Jimmy Rowles´ "The Peacocks" sind Schlüsselnummern aus der jüngeren Geschichte des Klaviertrios.
Mit farbigem Spiel voller lyrischer Moment und zupackendem Groove positioniert Sund sich als aufregende neue stimme in der Traditionslinie Bill Evans-Paul Bley-Chick Corea-Keith Jarrett, in der es nicht zuletzt um das geht, was der Titel "Trialogue" verspricht: ein Gespräch zu dritt. Die eloquenten Partner heißen Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums). Berthold Klostermann
Musik-Check/Interpretation *****
Hifi-Check/Klang *****
Berliner Morgenpost, 30. Juni 2002
Tim Sund Trio
Die Quadratur des Jazz-Kreises
Das Eckige muss ins Runde. In der Umkehrung der alten Fußballweisheit liegt das Geheimnis des Piano-Trios im Jazz. Da haben wir es zuerst mit einem Dreieck zu tun, das aus Klavier, Bass und Schlagzeug besteht. Gleichschenklig sollte es sein, damit jedem Instrumentalisten ein genügender Aktionsradius zur Verfügung steht. Und eine Gesprächsrunde sollte es ein.
Eckig und rund: geht das zusammen? Es geht: Man muss nur dem 30jährigen Berliner Pianisten Tim Sund und seinen Mitstreitern Martin Lillich (Bass) und Michael Kersting (Drums) zuhören.
Nicht ohne Grund haben sie ihre Aufnahme die sie heute im ATrane vorstellen, mit dem Namen "Trialogue" versehen. Im Zentrum der CD stehen fünf bekannte Standards aus dem Bereich des modernen Jazz. Vier freie KollektivImprovisationen ranken sich um die Interpretationen mehr oder minder bekannter Stücke aus der Feder von Miles Davis, Bill Evans und Ornette Coleman; hier zeigt das Trio ein Höchstmaß an Kommunikationsfreude und Formwillen im luftleeren Raum.
Josef Engels
Cadence Magazine, August 2001
Tim Sund fancies an unusual front pairing. On his album "The Rains from a Cloud Do not Wet the Sky" it's saxophone (Joel Frahm) and violin (Gregor Huebner). Recorded live at Berlin& acute;s ATrane, this is the quintet's second Nabel session, and it is certainly developing an original, smart sound.
Sund's writing is clearly designed for these men: Huebner and Frahm sit in his mind's eye, the pair's range must be a real inspiration. Listen to "Drifting", with it's open spaces and hints of tango, the melody is intimately linked to a horn and violin combination. Or "Hunting Shadows" (which according to Sund, reflects the atmosphere towards the end of Stravinsky's opera, The Rake's Progress), with a floating, nearly diaphanous line.
Modern Jazz violin, from JeanLuc Ponty to Leroy Jenkins, is often considered an aquired taste but Huebner's approach is immediate and rich: he's at ease with himself, his sound never grates. Indeed, his sense of proportion is just right a point on which many of his peers falter. More than anything else, the violin brings beauty to this ensemble, rather than any harmonic or melodic challenges. Huebner is in league with Frahm and Sund he's never a polarizing force.
Joel Frahm, a leader in his own right, may be a saxophonist in the straightforward postColtrane mode, but he's his own man and there's a distinct charm and neighborliness to his lines. Even on a swinger like "Dr. DeeDee" he's tuned to his mates; he doesn't isolate himself, wrapped up in pyrotechnics or bogged down in arcana.
The rhythm team is flexible and fluid. Drummer Andreas Griefinghold, in particular, has a loose and bombastic approach that´s filled with vigor and snap.
Carlos Bica's solo feature, the bowed statement, "Uma nuvem no céu," reminded me of Miroslav Vitous with its push and pull and internal dialogue little repetetive phrases, reworked and bounced back and forth.
Tim Sund gets much of his power and his understanding of harmony and time from his former teacher, Richie Beirach. Like his mentor, Sund likes the knotted and the difficult. "Stretch the Match", for instance, plays with time a 17/8 ostinato in the piano's righthand against a _ feel.
Sund, however, has many faces the earnest romantic ("The Hill of Love") or the open improviser ("Jumping Jack"), but he ultimately favors the direct and the accessible: Sund's default switch is the lovely cadence, the workable phrase. The title piece serves as an exellent example. Played with wit and expertly executed, "The Rains from a Cloud Do not Wet the Sky" is altogether compelling.
Jazzpodium, März 01
Es ist einfach ein unglaublich ausgewogenes zweites Album, das Tim Sund mit seiner amerikanischdeutschen Band aufgenommen hat. Bis auf ein Stück von dem Bassisten Carlos Bica geschrieben stammen auch alle Kompositionen von Sund selbst. Und: es ist ein LiveAlbum, das im Berliner ATrane aufgenommen wurde die enorme Intensität des Abends widerspiegelnd, die direkte Kommunikation zwischen Musikern und Zuhörern ebenso wie die zwischen den Bandmitgliedern. Die Musik dieses Abends ist ebenso rund wie die Kompositionsarbeit, die dahintersteht: sie firmiert als Modern Jazz das ist ja heute fast alles aber in erster Linie nimmt man sie vor allem als fast meditative oder aber springlebendige Stücke wahr, deren Eindruck durch das Zusammenspiel von Geige und Jazzquartett eine Weichheit und harmonische Ausgeglichenheit erlangt, die selten vorkommt. Die Tracks stets mit einem interessanten thematischen Bezug, so wie das Titelstück, das die Message des Yogameisters Swami Sivananda verdeutlichen soll sind mit guten Soli und ungewöhnlichen Metren nur so gespickt oder aber fließen langsam und gleichmäßig wie ein Strom. Tim Sund, p, Joel Frahm, sax, Carlos Bica, b, Andreas Griefingholt, dr, und Gregor Huebner, vln, bilden eine wirkliche Einheit, sobald sie zu spielen beginnen. Im Geschäftsleben würde man diesen Sound als ihre "Corporate Identity" bezeichnen.
Jazzthing, Februar/März 01
… Sunds Kompositionen orientieren sich an einem expressiven und frischen Modern Jazz.
Mit aufstrebenden Nachwuchskräften wie dem Saxofonisten Joel Frahm oder dem Bassisten Carlos Bica hat Sund ein tatkräftiges, nach vorne schreitendes Quintett um sich geschart.
WZ, 23.10.2000
Schwebende Leichtigkeit
Das ist natürlich eine Auszeichnung. Der große Jazzpianist Richie Beirach, hierzulande bekannt durch seine Zusammenarbeit etwa mit John Abercrombie oder David Liebman, holte ihn als Schüler zu sich nach New York. Dass er diesen Unterricht weidlich genutzt hat, konnte man jetzt in der Volkshochschule hören. Der inzwischen in Berlin lebende Pianist Tim Sund präsentierte dort auf Einladung des Jazzklubs Krefeld sein Quintett, eine exzellent aufeinander eigespielte Formation.
Beirachs Jazzpiano ist immer die klassische Ausbildung anzuhören, das kann man auch vom Spiel Tim Sunds sagen. Die technischen Möglichkeiten beider liegen weit über dem Durchschnitt. Eine reiche Farbigkeit der Akkorde, eine beispielhafte Phrasierung der Melodielinien, eine große Bandbreite in der Dynamik weitere Merkmale des Spiels beider Pianisten.
Aber Tim Sund hat auch andere einflüsse geschickt zu einer eigenen Sprache verknüpft. So bot er in einer längerenSlolpassage die intelligente und nicht auf Anhieb zu erkennende Verarbeitung eines Standards ("Solar" von Miles Davis), fast in Manier des großen Keith Jarrett.
Die Stücke Sunds bewegen sich stilistisch zwischen dem Newjazz der 80er Jahre und NeoBop. Auch freie Einsprengsel, die aber jeinen Selbstzeck verfolgen, sondern geschickt eingebettet sind, kommen vor. Die Themen erreichen durch das Zusammenspiel von Geige (Gregor Huebner) und Blasinstrument (Tom Christensen an Tenor und Sopransaxofon, Englisch Horn und Altflöte) eine schwebende Leichtigkeit. Huebner wie Christensen erwiesen sich zudem als ihrem Bandleader ebenbürtige Solisten. Carlos Bica am Kontrabass, ein Ausnahmekönner, und Andreas Griefingholt am schlagzeug, dessen Spiel von unablässig treibender Kraft ist, sind in diesem Quintett mehr als nur sattelfeste Begleiter, viel mehr gleichberechtigte Partner, die eigene Akzente setzen können.
RZ (Recklinghauser Zeitung), 21.10.2000
Spielfreude springt auf das Publikum über
Altstadtschmiede: Hochtalentiertes "Tim Sund Quintet" besticht durch lebendiges Konzert
Ihr Konzert im September des vergangenen Jahres galt als eines der schönsten in der Geschichte der JazzIni. Nun waren sie erneut zu Gast in der Altstadtschmiede, umjubelt von ihren Fans.
Musiker des Tim Sund Quintet, die es verstanden, Momente von großer Dichte zu zaubern. Eine Formation, in der jeder der Instrumentalisten sich als hochqualifizieter Solist erwies, ein Spiel, das bestimmt war von Klangintensität, Temperament und Präzision, vor allem aber von einer Musizierfreude, die mitriss. Ein Blick, ein Lächeln und es entstanden improvisierte Passagen von bezaubernder Lebendigkeit und Frische.
Hier war solideste Technik das Fundament, auf dem sich ein melodisch wie rhythmisch sehr intensives Spiel entfaltete.
Zu hören waren Titel der neuen CD "The Rains from a Cloud do not Wet the Sky", aber auch brandaktuelles wie "Ravi", ein stück, das Tim Sund für seinen zwei Monate alten Sohn geschrieben hat. Der Komponist und Pianist der Band gab hier mit schlankem, rhythmisch fein bemessenem Spiel schöne Impulse. Auch der Geiger Gregor Huebner (New York) faszinierte durch ein Musizieren, das mal im strengen Stil Bachs, mal folkloristisch gefärbt, durch elegante Vituosität bestach. Ein eidig schimmernder, expressiver Ton bestimmte das Spiel des Tenoristen Tom Christensen (New york), der sein Saxofon mehrmals gegen Flöte und Englisch Horn austauschte. Und schließlich zwei Musiker, die sich nicht nur als Rhythmus geber verstanden: Kontrabassist Carlos Bica (Lissabon) und Schlagzeuger Andreas Griefingholt (Köln). Für ihre differenzierten Soli wurden sie mehrmals mit Sonderapplaus bedacht.
WAZ, 23.10.2000
Musik erfüllt die hohen Erwartungen
Tim Sund Quintet begeisterte
Die Erwartungen des Publikums waren hoch. Doch die Musiker des Tim Sund Quintetts erfüllten sie voll und ganz.
Im Rahmen der JazzIni traf das international hochkarätig besetzte Ensemble im den in berlin lebenden Pianisten Tim Sund in der vollbesetzten Altstadtschmiede auf, dem Ort an dem sie vor gut einem Jahr eines ihrer "besten Konzerte überhaupt" (so Tim Sund persönlich in einer Ansage) gegeben hatten. Schon bei den ersten kräftigen ModernJazzStücken wurde deutlich, dassman auch diesmal zu musikalischen Höchstleistungen aufgelegt war.
Beeindruckend die schnellen Unisono Passagen von Sax und Geige, eine selten gehörte Kombination, die jedoch von Tom Christensen, der außer Sopran und Tenorsaxophon auch an Flöte und English Horn zu gefallen wußte, und Gregor Huebner an der Violine in erstaunliche Harmonie gebracht wurde.
Bassist Carlos Bica aus Portugal und der Kölner Schlagzeuger Andreas Griefingholt setzten neben der stets spannenden rhythmischen und melodischen Begleitung durch ihre herausragenden Soli weitere Akzente.
Was das Quintett neben der Präzision des Zusammenspiels auszeichnet, sind die einfallsreichen und gefühlvollen Kompositionen von Tim Sund, die sich im Spannungsfeld zwischen Klassik, Folklore und Jazz bewegen, ohne dabei konstruiert zu wirken, und die stets stark von Tim Sunds persönlichen Erfahrungen geprägt sind. Besonders deutlich dies bei "Ravi", dem ersten Stück nach der Pause, das Sund anlässlich der Geburt seines gleichnamigen Sohnes vor zwei monaten komponiert hat. Gelungen auch die Bearbeitung von Miles Davis´"Solar" (dem einzigen Standard des Abends), bei dem Sund die Spannung durch ein einfallsreiches PianoVorspiel grandios aufzubauen wußte.
Am Ende bedachte das begeisterte Publikum jeden der fünf Musiker mit reichlichem Applaus. Ein in jeder hinsicht gelungener Konzertabend.
Neue Osnabrücker Zeitung, 21.10.2000
Das Tim Sund Quintett beim "Jazzkongrazz"
Abwechslungsreicher Jazz, mal verträumt weitläufig, mal hochexpressiv
Saxofonist, Flötist und Englischhornist Tom Christensen und Geiger Gregor Huebner prägten als Frontline den ganz eigenen Sound des Ensembles, den gelegentlich Kontrabassist Carlos Bica mit sauber gestrichenen Melodien vervollständigte. Dazu kam der ganz eigene Stil des Bandleaders und Pianisten Tim Sund und das unglaublich dichte, unaufdringliche und präzise Schlagzeugspiel Andreas Griefingholts. Spaß machte es, der filigranen Abstimmung zwischen den Musikern zuzuhören, wie sie Akzente setzten und Spannung aufbauten, in einer Mischung aus LatinGrooves, hitzigen UpNummern, ruhig dahintreibendem JazzWaltz und stillen Balladen.
Der Tagesspiegel, Berlin, 25.05.2000
Klassik & Jazz
Als modern, farben- und ideenreich bezeichnet die Zeitschrift Jazzpodium die Arrangements des Pianisten Tim Sund.
Mit seiner Partnerin, der mexikanischen Sopranistin Erika Rojo, geht Sund jedoch noch einen Schritt weiter, und wagt mit seiner Fusion von Klassik und Jazz, was wenig andere bisher wagten.
Was sich wie ein klassisches Liedprogramm mit Werken von Schumann, Schubert, Mendelssohn und anderen anlässt, erhält durch die feinsinnigen Jazzimprovisationen von Sund und seiner Triobesetzung eine völlig neue Nuance und überzeugt damit vielleicht auch all jene, die klassische Konzertsäle bisher gemieden haben.
Angela Böttcher
Westfälische Rundschau, 23.05.2000
Jazzexperiment begeistert aufgenommen - Improvisationen klassischer Lieder
Ein musikalisches Experiment, das stilistische Grenzen überschritt, erwartete die zahlreichen Jazzfreunde in der CataCombe.
...
Auf der Grundlage klassischer Kunstlieder von schubert, schumann und de falla wurden jazzorientiert Improvisationen von atmosphärischer Dichte entwickelt.
Stimmungsvolle Klavierharmonien und melodiöse Einwürfe leiteten von südländischem Flair geprägte Stücke wie Manuel de Fallas "Asturiana" ein, die sich bald zu eksatatischen, virtuosen Soli von Klavier und E-Gitarre (David Heintz) hineinsteigerten, um dann am Schluss wie in einem musikalischen Bogen zur meditativen Atmosphäre des Beginns zurückzufinden. Dabei sorgten Dirk Strakhof (Bass) und Kai Schönburg (Drums) für eienen Klangteppich aus filigranen, flexibel swingenden rhythmischen Grooves.
Ohne exaltiert-opernhaftes vibrato, mit schlichter und glasklarer Intonation trug Erika Rojos klassisch geschulte Sopranstimme die anspruchsvollen Vokallinien. Dabei wurde Robert Schumanns "In der Fremde" zu beginn originalgetreu interpretiert und entwickelte sich erst allmählich zu einem spannenden improvisatorischen Trip. Verinnerlichte Seelenwelten offenbarten Strawinskys "Aria" und eine Eigenkomposition von Tim Sund, eine Vertonung von Goethes "Dämmerung".
Das musikalische Experiment wurde von den Musikkennern im Publikum begeistert aufgenommen, eine Zugabe war Pflicht.
Christoph Clören
Jazzthing, April/Mai 2000
Komponist und Pianist Tim Sund ist hierzulande kein Unbekannter mehr.
Mit seiner neuen CD "Das Lied", eingespielt mit der mexikanischen Sopranistin Erika Rojo, dem Gitarristen David Heintz, dem Bassisten Dirk Strakhof und dem Drummer Kai Schönburg, hat er nun eine lang gehegte Idee verwirklicht: "Der originale Gesangspart eines Liedes von Schumann und Manuel de Falla wird begleitet von einem Arrangement für Jazzensemble", so Sund im Booklet seiner CD.
Dieses Experiment ist ihm und seinen Musikern geglückt: durch einen variantenreich improvisierten Umgang mit dem vorgegebenen Material erhält Rojos lyrische Vokalkunst einen ungewöhnlichen , oft überraschenden musikalischen Hintergrund, ohne dabei gleich in Play-Bach-Platitüden zu versinken.
Martin Laurentius
United Jazz Society, Heft 3/2000, Mai/Juni
Ansätze, den "Third Stream", also den Versuch klassische und jazzorientierte Musik weiterzuentwickeln, gab es schon viele. Aber Tim Sund, Pianist aus Berlin, geht diesen Weg sehr individuell und bringt ein wunderbares Stück Musik heraus. Zusammen mit der klassisch ausgebildeten Sängerin Erika Rojo will er keine der beiden musikalischen Elemente, also Improvisation und klassische Interpretation zugunsten einer anderen Ebene aufheben.
Er geht an die klassischen Liedkompositionen von Robert Schumann, de Falla oder Ralph Vaughan Williams zunächst als klassischer Pianist heran.
Die Stimme orientiert sich am Original, die begleitung erspielt sich langsam andere harmonische Wendungen, behutsam kommt die Band mit klassischer Quartettbesetzung, erweitert um den Gitarristen David Heintz, ins Spiel.
Die Begleitung der Stimme, kompetent und virtuos arrangiert, erreicht so eine eigene Qualität. Klassische Melodie, gepaart mit jazziger Begleitung, die trotzdem homogen und klassisch klingt, hebt diese Produktion aus dem Einerlei der Vermischung von Jazz und Klassik heraus.
Gerade der klare und hervorragende Gesang von Erika Rojo formt eine ganz eigene Musik. Die Diskussion über mögliche Synthesen ist völlig unnötig.
"Das Lied" spricht für sich, intelligente Musik, die ihre Wurzeln in verschiedenen Welten hat, aber wen interessiert das, wenn sie so schön und wahr klingt.
Cadence - Magazine, USA, November 1999
Sund is clearly a lyrical piano soloist and composer.
This is a straightahead set of adventurous contemporary swing (check out the band's compelling grooves during "...In The Traffic", "Blue Trees", "...And Flowers pick Themselves" and "Traps").
Among the most evocative musical elements are the memorable unison exchanges between Frahm's soprano sax and Hübner's violin in "Lost Hills Road", "...In The Traffic", "Blue Trees", "...And Flowers pick Themselves" and the rhapsodic counterpoint of "Devi".
Hübner, Sund and the rhythm section show wonderful rapport during the atmospheric ballad "Erilinda", while Frahm's soprano sax sounds inspired during his cacading double tempo lines in "Blue Trees" and " …And Flowers pick Themselves".
Ultimately this compelling mainstream date possesses that essential ingredient: real passion. Recommended.
David Lewis
Neue Osnabrücker Zeitung, 17. Okt. 1998
Wie der Puls des "Großen Apfels"
New York im HDJ: Tim Sunds Quintett
So etwas gibt es nur in einer Stadt wie New York (dabei gibt es gar keine Stadt wie New York): In irgendeiner Wohnung treffen sich ein paar Musiker, "jammen" bis spät in die Nacht, und dann wird plötzlich eine Band daraus. So geschehen mit dem "Tim Sund Quintett". Diese Gruppe jedoch eine "Zufallsgemeinschaft" zu nennen wäre eine geradezu niederträchtige Geringschätzung.
Denn die fünf Musiker, die den zweiten Abend der vierteiligen Jazz-Galerie im Haus der Jugend bestritten, bilden ein Ensemble von außergewöhnlicher Homogenität, wie sie - gerade in Osnabrück selten zu hören ist. So passen Saxophon und Geige eine nicht gerade gewöhnliche Jazz-Kombination als Soloinstrumente überraschend harmonisch zusammen.
Joel Frahm, im "Big Apple" schon eine kleine Berühmtheit, ist ein Saxophonist ohne Allüren, der sich während der Soli der anderen auch schon mal hinter dem Vorhang versteckt. Seine Musik indes ist alles andere als scheu. Mal kräftig und virtuos, dann wieder sanft und zurückhaltend. Auch Gregor Hübner arbeitet exzessiv mit seinem Instrument. Die Geige schrillt, kreischt und sägt, sie schnurrt säuselt und singt. Kein Klang, keine Stimmung so scheint es die dieser Mann nicht aus seiner Geige herausholen kann. Und dabei bedient er sich allen Möglichen Musikrichtungen: Ein bißchen Irisch Folk, ein bisschen Zigeunermusik, ein paar Anklänge an Budapester Blut. Hübner vereint alles zu einer atemberaubenden Melange.
Pianist Tim Sund hat sämtliche Stücke für das Quintett komponiert und arrangiert seine Handschrift wird im Laufe des Abends deutlich. Er liebt getragene, stimmungsvolle Intros, die sich im Laufe des Stückes zu vielstimmigen, bisweilen flirrenden Klanggemälden steigern, um sich dann meist wieder zu beruhigen. Kein Wunder, denkt man manchmal, dass es diesen Mann nach New York gezogen hat. Seine Musik gleicht dem Puls jener Metropole. Besonders deutlich wird das bei "In the Traffic": Stau ist damit ganz gewiss nicht gemeint.
Das Quintett, vervollständigt durch die nicht minder exzellenten Andreas Griefingholt am Schlagzeug und Mark P. Brown am Bass, kann aber auch ganz ruhig sein. Ihr zweites Set beginnen sie, indem sie in Panflötenmanier in ihre leeren und halbleeren Getränkeflaschen pusten. Diese Sounds nehmen sie dann wenig später mit ihren Instrumenten auf, spinnen sie weiter, erweitern und verzerren sie, um am Ende wieder in die Flaschen zu pusten. Und als Zuschauer sitzt man da und denkt bebannt: That's Jazz!
Klaus Grimberg
Westfälische Rundschau, 17. Okt. 1998
Brillante Duelle der drei Solisten
Tim Sund-Quintett bot in der CataCombe Modern-Jazz der Extraklasse
Innovativer Modern-Jazz der Extraklasse begeisterte die Zuhörer in der gutbesuchten CataCombe. Nach seinem gefeierten Auftritt im Mai gastierte der Pianist Tim Sund mit seinem Quintett ein zweites Mal im Jazz-Club.
In seinen Kompositionen kombiniert der ambitionierte junge Komponist und Musiker klassische Spielfiguren, folkloristische Einflüsse und moderne Jazzharmonik zu einer eigenen, an sinnlichen Klangerlebnissen und virtuoser Spielfreude orientierten Klangsprache, die nichts mit trockenem Akademismus und extravaganten Free-Jazz-Lärm im Sinn hat.
So beeindruckte das quirlige Quintett zu Beginn mit intensiven Dialogen zwischen Violine (Gregor Hübner) und Saxophon (Joel Frahm). Südländisches Flair und groovige Latinrhythmen prägten die einzige Coverversion des Programmes, Manuel de Fallas "Asturiana" sowie die Eigenkomposition "Mexico". Ausgehend von meditativen Klangflächen verdichtet sich in Sunds Kompositionen die Musik in langen Spannungsbögen zu enthusiastischen, dynamischen Steigerungen.
Dabei verabschiedete sich Schlagzeuger Andreas Griefingholt von der Vorstellung eines bloßen Taktgebers und entwickelte ein vielschichtiges Geflecht perkussiver Klänge und Rhythmen. Ebenso verstand des Mark Brown, auf seinem Baß spannende Solo-Episoden zu kreieren. Melodiöse, nahezu klassisch inspirierte Melodiebögen des Pianos mit wenigen, aber ausdrucksvollen Tönen prägten die Ballade "Erilinda", die Tim Sund seiner Frau gewidmet hat.
Bis an die spieltechnischen Grenzen ging Gregor Hübner in seinem exstatischen Violinsolo in "The Song of Creation", während Saxophonist Joel Frahm in "Blue Trees" mit rasanten Soli und prägnanten melodischen Patterns begeisterte. In einer Hommage an Tim Sunds New Yorker Lehrer Richie Beirach lieferten sich die drei Solisten noch einmal brillante Duelle. Herzlicher Applaus wurde mit der Zugabe "El Rojo" belohnt.
Jazzhaus Magazin, Freiburg
Pianisten-CD Longseller
Tim Sund, der in der Kölner Kaderschmiede aufwuchs und 1993 Schüler von Richie Beirach in New York wurde, legt jetzt ein neues Album vor. Der 27-jährige Pianist entwickelt eine melodische, dennoch vielschichtige Tonsprache, angesiedelt zwischen Neuer Musik und Jazz. Sein Quintett, das gelegentlich jazzuntypische Instrumente einbezieht und auf diese Weise interessante Klangfarben schafft, steuert Sund in blendender Interaktion durch verschiedene Klanggebilde.
Reiner Kobe
Rheinpfalz, Mannheim, 9. Mai 98
Neue Namen, viel Talent
Tim Sund Quintett in der Alten Feuerwache
Eine starke Newcomerband gastierte nun bei der IG Jazz in der Galerie der Mannheimer Alten Feuerwache, das Tim Sund Quintet.
Kompositionen des Berliner Pianisten Tim Sund waren ausschließlich zu hören in Mannheim. Zu jedem Titel gab es auch einen Untertitel, der den Charakter des Stückes näher bezeichnete. Der "Song of Creation" war "Ananta", mit einem kräftig aufrauschenden, hymnischen Thema, hochgetragen von mächtigen Tremoloflächen.
Dazu gab es erregende Soli, etwa von Gregor Hübner an der Geige, der es packend lodern ließ, Biss und Eleganz vereinte. Ein großes Talent ist der aus Stuttgart stammende, in New York lebende Geiger (und Pianist), dem im Herbst der Landesjazzpreis Baden-Württemberg verliehen wird.
"Hunting Shadows" hieß der erste Titel des Abends, ein nostalgisch klingendes Thema nahe an Salonmusik. Eine expressiv und romantisch ausschwingende Nummer setzte das Thema gleichwohl in Gang. Romantisches Blut fließt ohnehin durch die komponierenden Adern von Tim Sund.
Dabei kommen die Themen dennoch harmonisch so gespannt daher, um starkes Hardbop Potential für die Improvisationen zu gewinnen. Aus melodischer Gefälligkeit findet Sund in seinen Soli schnell heraus, startet zu wirbelnden, flirrenden Läufen.
Eine große Begabung ist auch der junge Kölner Saxophonist Paul Heller. Hochinspiriert und wundervoll flüssig entwickelte er große gesangliche Bögen am Sopransaxophon, ließ die Linien farbenstark glitzern und gleißen, entwand Hochexpressives auch aus dem Tenorsaxophon. Viel Druck kam von der rhythmischen Basis, von den knorrig swingenden Basslinien von Mark Brown und dem locker trommelnden Andreas Griefingholt.
Rainer Köhl
Neue Osnabrücker Zeitung, 11. Mai 1998
Mitreißende und virtuose Musik Euregio-Jazzfestival in der Salzmarkthalle
... Eine ganz andere Richtung geht das Quintett des Pianisten Tim Sund, dessen Kompositionen den Abend eröffnete. Dicht und atmosphärisch waren die eher ruhigen Stücke, mit detailliert ausgearbeiteten Themen auf der einen Seite und großen Freiräumen auf der anderen. Das aufgelöste Spiel von Schlagzeuger Andreas Griefingholt und melodiöse Basslinien von Mark P. Brown lieferten den filigranen Hintergrund für den ebenso lyrischen wie expressiven Saxophonisten Paul Heller, für den grandiosen Geiger Gregor Hübner und für Tim Sunds klassisch angehauchten Klavierstil. Sicherlich war die Musik des Quintetts die am wenigsten eingängige bei diesem Festival, aber auch die interessanteste.
Ralf Döring